Donnerstag, 12. März 2020

Joan Didion


Sie war fünfzehn, als Erwin Blumenfeld (der hier einen Post hat) sie 1947 für die Vogue photographierte. Seitdem hat sie für das Blatt gearbeitet, sie ist das älteste Fashion Model der Welt. Sie hat nichts anderes gelernt, sie lebt von ihrem Aussehen. Ich rede natürlich von Carmen Dell’Orefice (die auch einmal das Gesicht von Rolex war). Sie ist nicht typisch für das Model Geschäft, obgleich nach dem Krieg die Mannequins noch aussahen wie richtige normale Frauen. Barbara Goalen (the first British supermodel) hatte ihre großen Erfolge, als sie dreißig war (lesen Sie mehr in Mary Quant). Die Frauen, die F.C. Gundlach photographierte (lesen Sie mehr in dem Post Damenmode) waren auch nicht mehr ganz jung. Dann kamen Calvin Klein (den gibt es hier auch schon) und die minderjährigen anorektischen Modelle, für die Twiggy vielleicht das Vorbild war. In der Branche wurde Paris-Thin zu einem Fachterminus. Modelt Kate Moss eigentlich noch?

Als ich dieses Bild sah, dachte ich: warum macht die das? Sie ist einundachtzig, muss man da Reklame für eine Pariser Firma machen? Wenn man schon einen richtigen Beruf hat? Das Photo ist natürlich von Jürgen Teller, der sich auf Rentnerinnen zu spezialisieren scheint (er wird in dem Post The Look schon erwähnt). Im Zeit Magazin wurde das Ganze von einer gewissen Susanne Mayer abgefeiert: Modisch buchstabiert sich plötzlich: ohne Photoshop. Da ist ein Hauch von Zumutung, in dieser Gradlinigkeit, die das Label Céline auszeichnet, das die Chefdesignerin Phoebe Philo in nur sechs Jahren zu diesem kompromisslosesten der Labels gemacht hat. Der Look ist minimalistisch-schockierend... Anders als andere Labels, etwa Prada, das zunehmend für das hübsche Japan schneidert, oder Versace, das mit erotisch flirrender, exhibitionistischer Mode die kurvigen Ladys des Orients verführt, ist Céline selbstbewusst spröde. Keinerlei Infektion durch die Männeranzugsimitate für die sogenannte berufstätige Frau, mit denen heute viel gelockt wird, eher eine Haltung von #WhatTheFuck!

Ich liebe die Sprache dieser Leute, die Locken auf eine Glatze ziehen können. So etwas war allerdings niemals die Sprache und der Stil von Joan Didion (so sah sie übrigens 1977 aus). Sprache und Stil von Joan Didion sehen eher so aus: Havana vanities come to dust in Miami. On the August night in 1933 when General Gerardo Machado, then president of Cuba, flew out of Havana into exile, he took with him five revolvers, seven bags of gold, and five friends, still in their pajamas. Gerardo Machado is buried now in a marble crypt at Woodlawn Park... (Miami 1987)

Sie möchten ein wenig mehr von Joan Didion lesen? Dann zitiere ich mal eben den wunderbaren Anfang von dem Essay On Self-Respect:

Once, in a dry season, I wrote in large letters across two pages of a notebook that innocence ends when one is stripped of the delusion that one likes oneself. Although now, some years later, I marvel that a mind on the outs with itself should have nonetheless made painstaking record of its every tremor, I recall with embarrassing clarity the flavor of those particular ashes. It was a matter of misplaced self-respect.
        I had not been elected to Phi Beta Kappa. This failure could scarcely have been more predictable or less ambiguous (I simply did not have the grades), but I was unnerved by it; I had somehow thought myself a kind of academic Raskolnikov, curiously exempt from the cause-effect relationships that hampered others. Although the situation must have had even then the approximate tragic stature of Scott Fitzgerald’s failure to become president of the Princeton Triangle Club, the day that I did not make Phi Beta Kappa nevertheless marked the end of something, and innocence may well be the word for it.

I lost the conviction that lights would always turn green for me, the pleasant certainty that those rather passive virtues which had won me approval as a child automatically guaranteed me not only Phi Beta Kappa keys but happiness, honour, and the love of a good man (preferably a cross between Humphrey Bogart in Casablanca and one of the Murchisons in a proxy fight); lost a certain touching faith in the totem power of good manners, clean hair, and proven competence on the Stanford-Binet scale. To such doubtful amulets had my self-respect been pinned, and I faced myself that day with the nonplussed wonder of someone who has come across a vampire and found no garlands of garlic at hand. Also, falls Sie einem Vampir begegnen sollten, dann haben Sie hoffentlich dieses kleine Köfferchen dabei, dass ich in dem Post Gothick abgebildet habe.

Aber können wir uns vorstellen, dass eine Person, die solch einen Text schreibt, Reklame für Céline macht? Dieser Essay ist übrigens in der Vogue erschienen. Didion hatte als promotional copywriter die Aufgabe einen leeren Raum zu füllen, weil ein Autor seinen Text nicht geliefert hatte und das Heft in Druck ging. Das Bild war 1961 schon im Text, so wichtig war die Aushilfsautorin der Vogue denn doch. Den Job bei der Vogue hatte sie in einem von dem Magazin gesponsporten Aufsatzwettbewerb an der Universität Berkeley gewonnen. Sie hat die Zeit bei dem Blatt genutzt, um ihren ersten Roman Run, River zu schreiben. Sie war sich über ihre Rolle in der Welt der Literatur damals noch nicht sicher:

During those years I was traveling on what I knew to be a very shaky passport, forged papers: I knew that I was no legitimate resident in any world of ideas. I knew I couldn't think. All I knew then was what I couldn't do. All I knew was what I wasn't, and it took me some years to discover what I was.
Which was a writer.
By which I mean not a "good" writer or a "bad" writer but simply a writer, a person whose most absorbed and passionate hours are spent arranging words on pieces of paper. Had my credentials been in order I would never have become a writer. Had I been blessed with even limited access to my own mind there would have been no reason to write. I write entirely to find out what I'm thinking, what Iím looking at, what I see and what it means. What I want and what I fear
. Das steht in Why I Write. Und ja, sie hat den Titel bei Orwell geklaut.

Wenn sie am Anfang ihrer journalistischen Karriere auch mal bei der Vogue gearbeitet hat, bedeutet das ja noch nicht, dass sie sich unbedingt für das Pariser Modehaus Céline interessiert. Für den Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline könnte sie sich vielleicht eher interessieren. Ich will da jetzt nichts Böses über die Firma Céline sagen, ich habe einen Schlips von denen, der eine Art Imitation von Hermès ist. Und so habe habe ich die Firma eigentlich immer gesehen, als eine Art Hermès manqué. Céline war etwas für ältere Pariser Damen. Aber seit 2008 sorgt die englische Modedesignerin Phoebe Philo da für frischen Wind, und so gibt es nun diese Kampagne.

Und dann flüstert uns Laura Weir, die jetzt bei der Vogue für die Mode zuständig ist und 2014 in England Fashion Journalist of the year war, zu: Designers are subverting our expectations when it comes to advertising and they're recalibrating the vision of the kind of woman that we aspire to be... Joan is an icon. She represents a shift in society that's saying it's not age that matters, it's style that counts. Und diese modischen Pferdeflüsterer wie Susanne Mayer und Laura Weir (und wie sie alle heißen) die könnten alles und jeden verkaufen. Wenn es jetzt chic oder ein Trend ist, Rentner zu vermarkten, meinetwegen. Emma Thompson war im letzten Jahr Model für Marks & Sparks, und Selfridges wirbt mit Bright Old Things. Aber meistens ist das Ganze ja nur peinlich. Ich kenne jemanden noch von der Bundeswehr her, der macht Reklame für Fielmann. Das sind so die Augenblicke zum Fremdschämen.

Gut, Didion hat sich immer schon inszenieren können - oder ihre Verleger haben für gute Photographen gesorgt, um sie wirkungsvoll in Szene zu setzen. Wie hier Julian Wasser, der die Schriftstellerin anfangs der siebziger Jahre vor ihrer 69er Corvette Stingray photographierte. Damals wusste die Firma Céline in Paris bestimmt noch nicht, wer diese Joan Didion in Kalifornien war. Und vielleicht wusste Joan Didion auch nichts von der Firma Céline. Bei diesem Bild steht noch nicht Céline auf der Autotür, in der neuen Céline Werbung (die Sie im dritten Absatz sehen konnten) schon. Nur wo Céline drauf steht, ist auch Céline drin.

Aber da sitzt natürlich nicht mehr Joan Didion am Lenkrad (das Photo zierte auch ihr Buch Where I Was From), die Dame in Orange ist Daria Werbowy, die augenblicklich das Model für Céline ist. Und auch für H&M. Joan Didion ist natürlich nicht Model bei H&M. Hat aber die Reporter, die sie neuerdings belagern, darauf hingewiesen, dass es nicht das erste Mal sei, dass sie als Model aufgetreten sei. Sie war schon 1991 mit ihrer Adoptivtochter auf einer Anzeige der Firma GAP zu sehen. Ihre Tochter Quintana Roo Dunne ist inzwischen tot, sie starb zwei Jahre, nachdem Joan Didion ihren Mann verloren hatte.

Die Schriftstellerin hat den Verlust in zwei ergreifenden Büchern, The Year of Magical Thinking und Blue Nights, verarbeitet. Aber im Jahre 1991 für GAP Werbung zu machen, ist etwas anderes als 2015 Werbung für Céline zu machen. GAP ist etwas für jedermann, Céline ist für die happy few. Nicht die, für Stendhal schrieb, eher für die happy few des KapitalismusEs sollte vielleicht erwähnt werden, dass die Firma Céline inzwischen diesem widerlichen Bernard Arnault gehört, der auch Tony B-Liar unter Vertrag hat (lesen Sie mehr in ➱LV). Als er die Firma gekauft hatte, warf er als erstes alle Mitglieder der Familie, auch die Firmengründerin Céline Vipiana, hinaus. Ja, der Mann, der einst Frankreich verließ, als Mitterand an die Macht kam, der hat schon Stil.

Seit der die Firma gekauft hat, habe ich meinen Céline Schlips, der mich mal drei Euro bei einem Second Hand Dealer gekostet hat, nicht mehr getragen. Außer Schlipsen macht die Firma Céline übrigens nichts für die Herren der Schöpfung. Und das hier ist natürlich Catherine Deneuve, die im letzten Jahr das Gesicht von Louis Vuitton war. Sie macht schon seit Jahren Werbung für LV (mit Chanel hat sie schon lange einen Vertrag), hat das aber nur unter der Bedingung getan, dass Bernard Arnault eine Geldsumme für Al Gores Climate Reality Project spendet.

Es ist für die Photographen wohl nicht so leicht gewesen, Joan Didion zu photographieren: Photographers she has worked with say her shyness sometimes makes her subjects so nervous they blurt out extraordinary things in their eagerness to fill up the conversational vacuum, hat Tom Wolfe gesagt. Dabei weiß Didion, dass die Photographie auch nicht immer leicht ist: Grammar is a piano I play by ear, since I seem to have been out of school the year the rules were mentioned. All I know about grammar is its infinite power. To shift the structure of a sentence alters the meaning of that sentence, as definitely and inflexibly as the position of a camera alters the meaning of the object photographed.... The arrangement of the words matters, and the arrangement you want can be found in the picture in your mind.... The picture tells you how to arrange the words and the arrangement of the words tells you, or tells me, what's going on in the picture. Von ihrem Essay Some Dreamers of the Golden Dream (hier zu lesen) war Tom Wolfe so beeindruckt, dass er Joan Didion sofort in seinen Sammelband The New Journalism aufgenommen hat.

Joan Didion ist nicht sehr groß. Klein und zerbrechlich. Jeder betont das. Jane Shilling entdeckte in ihrer Rezension zu Blue Nights sogar eine fragility that has been a constant undertone in Didion’s writing. Als der Interviewer des Paris Review Didion fragte How did the “fragility of Joan Didion” myth start?, antwortete sie: Because I'm small, I suppose, and because I don't talk a great deal to people I don't know. Most of my sentences drift off, don't end. It's a habit I've fallen into. I don't deal well with people. I would think that this appearance of not being very much in touch was probably one of the reasons I started writing.

Die Welt war kleidungsmäßig einfacher in den siebziger Jahren. Joan Didion hatte eine Liste an ihrer Schranktür: 2 skirts, 2 jerseys or leotards, 1 pullover sweater, 2 pair shoes, stockings, bra, nightgown, robe, slippers, cigarettes, bourbon... (Sie finden die ganze Liste hier). In The White Album sagt sie dazu: This is a list which was taped inside my closet door in Hollywood during those years when I was reporting more or less steadily. The list enabled me to pack, without thinking, for any piece I was likely to do. Notice the deliberate anonymity of costume: in a skirt, a leotard, and stockings, I could pass on either side of the culture. Das mit dem I could pass on either side of the culture gilt jetzt natürlich nicht mehr so ganz. Wenn man Céline trägt, ist man stigmatisiert.

Joan Didion hat mich durch die siebziger Jahre begleitet. Ich las von ihr, was ich in die Finger kriegen konnte. Mein Freund Peter Gutkind (der hier einen Post hat) schickte mir damals immer den New Yorker und The New York Book Review aus Montreal zu. Auf diesem Photo aus dem Jahre 1967 ist sie bei der Feldforschung unter Hippies in Kalifornien, während sie Slouching Towards Bethlehem schreibt. Der Look ist eine Mischung aus Studentin und Hippie Mädchen, aber das elegante seidene Tuch verdirbt natürlich den Hippie Look. Doch sie fällt nicht auf: My only advantage as a reporter is that I am so physically small, so temperamentally unobtrusive, and so neurotically inarticulate that people tend to forget that my presence runs counter to their best interests. And it always does. That is one last thing to remember: writers are always selling somebody out.

Wenn mich in den siebziger Jahren jemand gefragt hätte, was man von Joan Didion lesen sollte, hätte ich sofort gesagt: Slouching towards Bethlehem (Volltext) und The White Album. Das würde ich übrigens heute auch noch sagen. Ihre Romane sind meiner Meinung nach nicht ihre Stärke. Wenn auch in jedem der New Journalists ein verhinderter Romanautor steckt, sollten die Meister der creative reportage doch lieber bei dem bleiben, was sie gut können. Tom Wolfes Bonfire of the Vanities ist definitiv nicht the great American novel. Joan Didion sieht das natürlich ganz anders: I've put away nonfiction things, but I've never put away a novel.

Den Essayband Slouching towards Bethlehem habe ich schon häufig in diesem Blog erwähnt. Ich habe eben das Suchfeld getestet und mich gewundert, wie häufig Joan Didion hier auftaucht. Sie muss natürlich erwähnt werden, wenn es um John Wayne geht. Das geht nicht anders. Weil sie John Wayne: A Love Song geschrieben hat: In the summer of 1943 I was eight, and my father and mother and small brother and I were at Peterson Field in Colorado Springs. A hot wind blew through that summer, blew until it seemed that before August broke, all the dust in Kansas would be in Colorado, would have drifted over the tar-paper barracks and the temporary strip and stopped only when it hit Pikes Peak. There was not much to do, a summer like that: there was the day they brought in the first B-29, an event to remember but scarcely a vacation programme. There was an officers' club, but no swimming pool; all the officers' club had of interest was artificial blue rain behind the bar. The rain interested me a good deal, but I could not spend the summer watching it, and so we went, my brother and I, to the movies.

We went three and four afternoons a week, sat on folding chairs in the darkened hut which served as a theatre, and it was there, that summer of 1943 while the hot wind blew outside, that I first saw John Wayne. Saw the walk, heard the voice. Heard him tell the girl in a picture called War of the Wildcats that he would build her a house, 'at the bend in the river where the cottonwoods grow'.
As it happened I did not grow up to be the kind of woman who is the heroine in a Western, and although the men I have known have had many virtues and have taken me to live in many places I have come to love, they have never been John Wayne, and they have never taken me to that bend in the river where the cottonwoods grow. Deep in that part of my heart where the artificial rain forever falls, that is still the line I wait to hear.
        I tell you this neither in a spirit of self-revelation nor as an exercise in total recall, but simply to demonstrate that when John Wayne rode through my childhood, and perhaps through yours, he determined for ever the shape of certain of our dreams...

Der letzte Satz ist vielleicht ein klein wenig gelogen, vieles bei Joan Didion ist an exercise in total recall. In dem Interview mit dem Paris Review hat sie den Begriff obsessive remembering verwendet: The impulse was nostalgia. It's not an uncommon impulse among writers. I noticed it when I was reading 'From Here to Eternity' in Honolulu just after James Jones died. I could see exactly that kind of nostalgia, that yearning for a place, overriding all narrative considerations. The incredible amount of description. When Prewitt tries to get from the part of town where he's been wounded out to Alma's house, every street is named. Every street is described. You could take that passage and draw a map of Honolulu. None of those descriptions have any narrative meaning. They're just remembering. Obsessive remembering. I could see the impulse.

Was sagt uns dieses Photo vom Peterson Field in Colorado Springs im Jahre 1943? Wohl nicht sehr viel. Aber Didions John Wayne: A Love Song (hier im Volltext) sagt uns eine ganze Menge über den heißen Sommer des Jahres 1943. Und wenn wir die ersten Absätze gelesen haben, werden wir den artificial blue rain behind the bar nicht wieder vergessen. Dieses Heraufbeschwören des Augenblicks und des genius loci ist natürlich New Journalism at its best. Selbst wenn Joan Didion bei dem Vergegenwärtigen des Schauplatzes von einer Art Stendhal Syndrom befallen wird, ist sie sich doch als reflektierende Journalistin dessen bewusst:

Sie hat Vorbilder, die sie in Interviews benannt hat: Hemingway wegen seines deceptively simple style, Henry James wegen der indirectness und V.S. Naipaul, weil er diese seemingly insignificant details verwendet. Ihr Lieblingsroman ist Joseph Conrads Victory, auf die Frage nach ihren Lieblingsbüchern hat sie gesagt: My ten favorite books differ from month to month. One (always) favorite book is Joseph Conrad's Victory. Every time I read it, it becomes more mysterious to me. Sie hört keine Musik beim Schreiben. Ich immer. Und Victory ist definitiv nicht mein Lieblingsroman von Conrad. Ich sage das nur, um zu verdeutlichen, dass solche Interviewfragen ziemlicher Quatsch sind. Ernstzunehmender ist da schon eher so etwas: The reportage of Joan Didion always tells us about the same thing--la situacion, the situation--whether she is reporting from San Salvador or Miami or Los Angeles, whether the subject is the water supply or a presidential campaign.

Her writing is powerful in several ways: aesthetically, journalistically, psychologically, morally, and politically. Though typically considered a journalist, Didion can also be read as an existentialist. She differs from writers like Beckett or Sartre, however, in her detail. Insistently concrete, Didion focuses always on the specificities that both mask and reveal the universal. Dense stories about unique individuals and circumstances are, for her, tales of "triumph over nothingness", what Davenport calls "a desperation of purposelessness"... Technically, Didion is immaculate and original. As early as 1963, literary critic Guy Davenport could say, "Her prose is her servant". She understands grammar as a source of "infinite power". 

Hier schreibt eine Universitätsprofessorin. Es ist viel über Joan Didion geschrieben worden, ich zitiere Sandra Braman nur aus dem Grund, weil hier das Wort grammar vorkommt. Denn unter dem ganzen sprachlichen Feuerwerk, diesem foregrounding der Sprache der creative reportage, steckt eine souveräne Kenntnis der guten alten klassischen Rhetorik. Sagt Chris Anderson (Englischprofessor, Theologe und Dichter) in seinem Buch Style as Argument: Contemporary American Nonfiction. Und zitiert Joan Didion: All I know about grammar is its infinite power. Meine Studenten haben es gehasst, wenn ich sie in dem Kurs Text Analysis, der auf das Staatsexamen vorbereitete, mit Texten von Joan Didion und Tom Wolfe fütterte.

Aber die Uni ist nun mal kein Leseklub für ältere Damen. Hier muss man einen Text sprachlich verstehen können, und da geht nun nichts - aber auch gar nichts - über eine solide Beherrschung der antiken Rhetorik und das Handbuch der literarischen Rhetorik: eine Grundlegung der Literaturwissenschaft von Heinrich Lausberg. Natürlich ist man als Lehrer beliebter, wenn man in die Klasse kommt und eine Platte auflegt wie der Englischlehrer in Zadeks in Ich bin ein Elefant, Madame, aber dabei lernt man nichts. Hinter dem Stil eines Autors steht handwerkliche Arbeit, selten der Musenkuss oder der Alkohol. Grammar is a piano I play by ear, since I seem to have been out of school the year the rules were mentioned. All I know about grammar is its infinite power.

In dem Interview, das die Autorin dem Paris Review gab, sagte sie (auf die Frage You have said that writing is a hostile act; I have always wanted to ask you why): It's hostile in that you're trying to make somebody see something the way you see it, trying to impose your idea, your picture. It's hostile to try to wrench around someone else's mind that way. Quite often you want to tell somebody your dream, your nightmare. Well, nobody wants to hear about someone else's dream, good or bad; nobody wants to walk around with it. The writer is always tricking the reader into listening to the dream. Sie brauchen natürlich keine Sätze zu zergliedern, sie können Joan Didion einfach lesen und sich von ihr in ihre Träume hineinziehen lassen.

Auf die Frage, ob sie sich darüber im klaren sei, dass sie jetzt eine modische Sensation sei, antwortete die Schriftstellerin: I don’t have any clue... I have no idea. Aber gestand, Kundin von Céline zu sein (I am fortunate enough to own a few), weil die auf der Madison Avenue in der Nähe von ihrem Apartment (East 71st Street) einen Laden haben. Wird sie eines Tages über Céline schreiben? In dem Essay Why I Write hat sie gesagt: I write entirely to find out what I'm thinking, what I'm looking at, what I see and what it means. What I want and what I fear. Warten wir es ab.

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