Mittwoch, 11. März 2020

Doktorspiele


Ich weiß nicht, ob sie diese junge Dame erkennen. Den Herrn zu ihren Füßen erkennen wir sofort, das ist Dirk Bogarde, der heute Geburtstag hat. Er spielt einen jungen Arzt namens Simon Sparrow in einem englischen Doktorfilm, der in der deutschen Version Aber, Herr Doktor… heißt. Die junge Dame spielt eine kleine Schlampe mit großer Oberweite, sie wird noch weltberühmt werden. Sie ist in diesem Jahr übrigens achtzig geworden. Doctor in the House war der erfolgreichste britische Film des Jahres 1954. Das Rank Studio wird noch sechs Fortsetzungen drehen. In der deutschen Version heißt der Doktor nicht Simon Sparrow, sondern Simon Sperling, das ist wirklich ein wenig albern.

Hier ist die junge Dame noch einmal, sie wird gerade mit goldener Farbe angemalt. Das hat jetzt nichts mit Kunst zu tun, Yves Klein (der hier einen längeren Post hat) malte nackte Frauen mit blauer Farbe an, das ist dann Kunst. Dies hier sind die Dreharbeiten zu dem James Bond Film Goldfinger, das ist nicht unbedingt Kunst.

Lass uns nach Bremen fahren, sagte mein Freund Uwe vor vielen Jahren. In der PH soll ein Typ auftreten, der schlachtet ein Schwein über nackten Studentinnen. Das soll Kunst sein. Als wir mit Bus und Straßenbahn in Walle ankamen, war da schon die Polizei, die Sache mit dem Schwein und der nackten Studentin fand nicht statt. Wir merken uns mal: Wenn man eine Frau goldfarben anmalt und sie dann auf einem Bett drapiert, dann ist das Kommerz. Und die Frau (Shirley Eaton) wird weltberühmt. Wenn man Frauen mit blauer Farbe anmalt (hier der Künstler Yves Klein bei der Arbeit) und sie sich dann auf Papier wälzen lässt, dann ist das Kunst. Wenn man Schweineblut über nackte Frauen träufelt, dann bringt einen das ins Gefängnis.

Shirley Eaton war ein Bond Girl. Und denen wird in den Filmen ja alles Mögliche angetan. Ich zitiere da mal eben das schöne Gedicht Bond Girls von Fiona Pitt-Kethley. Das findet sich auch in dem Post Britt (was natürlich ein Post zu Britt Ekland ist):

Back in my extra days, someone once swore
she'd seen me in the latest James Bond film.

I tried to tell her that they only hired
the real glamorous leggy types for that.
(My usual casting was 'a passer-by'.)

I've passed the lot in Pinewood Studios.
It's factory-like, grey aluminium, vast
and always closed. Presumably that's where
they smash up all the speedboats, cars and bikes
we jealous viewers never could afford.

I quite enjoyed the books. Ian Fleming wrote well.
I could identify a touch with Bond,
liking to have adventure in my life.
The girls were something else. All that they earned
for being perfect samples of their kind -
Black, Asian, White - blonde, redhead or brunette,
groomed, beauty-parlourised, pleasing in bed,
mixing Martinis that were shaken not stirred
using pearl varnish on their nails not red -
was death. A night (or 2) with 007,
then they were gilded till they could not breathe,
chucked to the sharks, shot, tortured, carried off
or found, floating face downward in a pool.

Aber zurück zu unseren Doktorfilmen. Sie waren harmlose Verfilmungen der Romane des englischen Arztes Richard Gordon, die meisten ab sechzehn Jahren geeignet: In seiner biederen Anspruchslosigkeit und seinen einzelnen guten Szenen ein typischer Nachfahre von ‚Aber, Herr Doktor!‘ Ab 16 Jahren wohl möglich, wenn auch nicht nötig, schrieb der Evangelische Filmbeobachter zu dem Film Doktor Ahoi! Hier können wir Dirk Bogarde mit der sehr züchtigen Brigitte Bardot sehen. Ab sechzehn.

Shirley Eaton tauchte auch in anderen Filmen dieser Reihe wieder auf, so wie hier in Hilfe, der Doktor kommt! (Doctor at Large). Wirklich glücklich war Dirk Bogarde mit den Doktorfilmen nicht unbedingt, aber sie machten ihn berühmt und brachten sehr viel Geld ein. Das reichte dann für einen Rolls Royce und ein kleines Schloss. Die Filmmusik zu vier der Doctor Filme wurde übrigens von Robert Bruce Montgomery geschrieben. Den kennen wir besser als den Krimiautor Edmund Crispin.

Künstlerisch wichtiger war für Bogarde seine Rolle als Kleinkrimineller in The Blue Lamp gewesen, ein Film, der schon in dem Post Englische Krimiserien erwähnt wird. Wir können diesem Filmbild auch entnehmen, dass die kleinformatigen rechteckigen Armbanduhren ihren Weg von Amerika nach England gefunden haben. Das Bild findet sich auch (ebenso wie ein Photo von seinem Landsitz) in dem Post Dirk Bogarde, den es seit dem 28. März 2012 hier für Sir Derek van den Bogaerde gibt.

Der Erfolg der Doctor Filme (hier die Herren James Robertson Justice, Kenneth Moore und Dirk Bogarde) hatte natürlich etwas damit zu tun, dass das Fernsehen noch nicht so recht verbreitet war. Und es nicht diese tausend Arztserien gab, mit denen wir heute überschwemmt werden (außer Scrubs gucke ich die nie). Die Produzentin und der Regisseur von Doctor in the House hatten große Schwierigkeiten, die Bosse von Rank zu überreden, dass sie diesen Film machen durften. Das Studio glaubte fest daran, dass sich niemand in England einen Arztfilm ansehen würde.

Auch in Deutschland gab es in den fünfziger Jahren Arztfilme, in denen Schauspieler wie Dieter Borsche immer einen vorbildlich gestärkten Eppendorf Kittel trugen. Das deutsche Genre beginnt mit Sauerbruch - das war mein Leben, ist aber meistens humorlos. Vor allem, wenn Maria Schell eine Krankenschwester oder eine Kranke spielt. Die einzige Ausnahme war der unnachahmliche Curt Götz mit dem Film Frauenarzt Dr. Prätorius (gucken Sie sich auf keinen Fall die Heinz Rühmann Version an). Ich glaube, die deutschen Arztfilme waren auch alle ab sechzehn, aber sie hatten nie diese netten Beigaben wie Shirley Eaton und Brigitte Bardot.

Die Bardot ist damals noch nicht das Sexsymbol, aber sie arbeitet schon daran. Michael Thornton hat uns in der ➱Daily Mail eine Beschreibung der Dreharbeiten für die Duschszene von ➱Doctor at Sea geliefert: The first time I glimpsed Brigitte Bardot in the flesh – and those words are apt, as it turned out – I was still at school. I had been invited by an actor friend to visit Pinewood Studios, where Dirk Bogarde was filming the comedy 'Doctor At Sea'. For several minutes I was allowed to stand at the back of the set watching rehearsals for a shower scene.

A young girl of devastating physical attraction, with provocatively pouting lips and large, inviting and smouldering brown eyes, emerged into view, clutching a bath towel which failed to conceal the fact she was naked underneath. You could have heard a pin drop on that set. The attention of every man there was riveted on that sinuous figure, who raised and lowered the towel mischievously while a stills photographer attempted to get shots that could be decently published.

As she romped with gazelle-like grace across the set, revealing more and more of her amazing body, it became apparent that she had strips of flesh-coloured sticking plaster concealing her nipples and her pubic hair. In a gesture that would have seemed brazen but for her uninhibited merriment, she dropped the towel, ripped off the sticking plasters, and stood before us all as nature had made her, throwing her head back with explosive laughter, a free spirit, utterly defying convention. As the film studio erupted with male wolf-whistles, a publicity man frogmarched me off the set at the speed of light, insisting: ‘That was simply... um... improvisation. It will not be appearing in the film.’ Hier probiert Brigitte im gleichen Jahr an der Riviera aus, wieviel Nackheit Europa verträgt.

Brigitte Bardot bekam 750 Pfund für die Rolle der Nachtclubsängerin Hélène Colbert, die eigentlich Kay Kendall hätte bekommen sollen, Dirk Bogarde bekam zehntausend. Zehntausend Pfund waren damals sehr viel Geld. Kay Kendall hatte man schon mit Kenneth Moore und Dirk Bogarde in dem Film Doctor in the House in zwei kleinen Auftritten gesehen (und wir werfen mal eben einen Blick auf die Kleidung der Herren, die sie dekorativ umrahmen).

Kay Kendall wirkte immer damenhaft, obgleich sie auch eine hervorragende Komödiantin war. Für Frauen mit Stil wie Kay Kendall ist das Wort lingerie erfunden worden. Ladies tragen keine Unterwäsche, die tragen lingerie. Aber eine Duschszene mit Kay Kendall? Forget it. Mehr als dies Photo aus dem Jahre 1957 gab es nicht. Sieht ein wenig nach den Pin-ups des Zweiten Weltkriegs aus. Braucht man mehr? Steht Rita Hayworth etwa unter der Dusche? Sie ist in Gilda nie nackt, aber sie ist erotischer als all die Frauen, die sich unbedingt ausziehen müssen. Wenn Ingrid Steeger das macht, dann ist das ein running gag in Klimbim, mehr nicht. Die Filmkunst fängt woanders an.

Dirk Bogarde fand die 21-jährige Pariserin sehr sympathisch, schrieb aber später, dass sie als Schauspielerin keine Chancen auf dem englischen Markt haben würde: Even without her French accent, Brigitte would be too much for British studios to handle. You see, Brigitte takes the trouble to put across sex as an art. For most of our girls it's a farce. Das ist eine andere Form des Satzes: No sex please, we are British.

Es wird etwas länger dauern, bis die Engländer auf den Sex kommen, von den Bond Girls in den den James Bond Filmen einmal abgesehen. Doch wenn sie dahinterkommen, dann ist es gleich ein Skandal, der die Regierung zittern lässt. Und das hat mit dieser jungen Dame zu tun, die hier schamhaft verhüllt neben einem Arne Jacobsen Stuhl sitzt. Und die natürlich hier schon einen Post hat, in dem sich auch das berühmtere Photo der nackten Christine Keeler auf dem Arne Jacobsen Stuhl findet.

Aus der unschuldigen Erotik der jungen Bardot wird schnell etwas anderes, wie wir hier sehen können, nämlich die Vermarktung von Sex und Erotik. Und die kommt nicht aus England, sondern aus Frankreich. Das Pornogenre nimmt sich der Ärzte und Krankenschwestern an. Da versichert uns Wikipedia: 'Der Frauenarzt vom Place Pigalle' ist ein Klassiker der Pornofilmgeschichte aus dem Jahr 1981. Na, denn. Der Produzent war die deutsche Ribu Filmproduktion, es war der erste Film, der nach der Freigabe der Pornografie aus Deutschland auf den internationalen Erotikmarkt kam. Das ist sicher auch eine Leistung. Ich weiß nicht, ob man so etwas wirklich brauchte. Die Darsteller kamen übrigens alle aus Frankreich. Bis auf Uschi Karnat aus Castrop-Rauxel (die hier schon zu sehen ist), aber die lebte damals schon in Paris.

Die englischen Doktorfilme mit Dirk Bogarde braucht man (im Gegensatz zu Ribu und Beate Uhse Produktionen) natürlich unbedingt, ich habe die sieben CDs alle in einer Kassette. Kostet bei Amazon knapp 20 €. Die Filme sind auch eine Fundgrube für die Mode der fünfziger Jahre. Der Frauenarzt vom Place Pigalle kostet bei ebay 9,99 €. Ist aber keine Fundgrube für die Mode, weil die Darsteller selten bekleidet sind. Wenn sie das Krankenhaus einmal ganz anders erleben wollen, dann kaufen Sie sich den Klassiker The Singing Detective. Kostet als UK Import bei Amazon 9,98€. Hat nichts mit Porno zu tun, ist aber großes Kino. Und ein Schnuckelchen in Weiß gibt es mit Joanne Whalley in der Serie The Singing Detective auch. Sie spielt übrigens auch das Sexsymbol Christine Keeler in dem Film Scandal.


Noch mehr zum Thema der Inszenierung von Frauen im Film in den Posts: Veronica LakeNymphosDorothy MaloneGildaOperation MincemeatExotikJacques Tourneur. Und noch mehr Dirk Bogarde in diesem Blog: Dirk BogardeRobert MorleyMonica VittiCharlotte RamplingEt Dieu ... créa le femmeMilitärisches SchuhwerkFassbinderDinu LipattiBergen-BelsenThe LookLord John RussellCathy GaleMichael CaineInspector LewisEnglische Herrenschuhe (London)

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