Mittwoch, 11. März 2020

Exotik


Vor hundert Jahren (6.6.2012) wurde die Schauspielerin María Montez geboren. Eigentlich hieß sie María África Antonia Gracia Vidal de Santo Silas, ihr Vater verehrte Lola Montez und so nannte sie sich in Hollywood Maria Montez. Die Filme, in denen sie spielte, waren immer irgendwie exotisch, Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. Reine Phantasie der Drehbuchautoren. Und so huschte die kleine Maria aus der Dominikanischen Republik, die irgendjemand mal die Queen of Technicolor getauft hatte, in seltsamen Kostümen (oder mit etwas weniger Kostüm) über die Leinwand.

Die Presseabteilung erfand für sie außer der Queen of Technicolor noch andere schöne Namen wie Dominican DynamiteHollywood SyrenTempestuous Montez oder The Caribbean Cyclone. Hollywood hatte schon seit den Tagen des Stummfilms eine orientalische Phase und diese orientalischen und exotischen Märchen sind ja auch schnell gedreht. T and S hießen die Filme studiointern, tits and sand. Futter für exotische Männerphantasien. Und Pin-Up-Nachschub für die US Army. Die Queen of Technicolor konnte nicht spielen und nicht singen, aber das Publikum liebte sie.

All sex fantasies are equally valid. They are the means whereby the imagination leads the confused creature into sexual contact with other creatures which contact is difficult at best and can be impossible for the sensitive, the neurotic, the badly misinformed, the inexperienced, the young adults with very little in their experience that could provide a basis for rationality. Sexual fantasizing is the pitiful means whereby the truly unpleasant difficult sex function is swathed in glamour, perversity, and ultimately, simply, interest.

Das Zitat ist von Jack Smith, der so etwas wie das amerikanische Äquivalent von Werner Schroeter ist. Und der 1963 mit Flaming Creatures (oben neben dem Zitat ein Szenenphoto) eine Travestie dieser B-Pictures gedreht hatte. Der Film war gleichzeitig ein Hommage an María Montez. Das Zitat stammt aus den gesammelten Schriften von Smith, die den schönen Titel Wait For Me At the Bottom Of The Pool haben. Exzentrisch und witzig und Pflichtlektüre für Maria Montez Fans. Und die gibt es offensichtlich immer noch, Maria Montez ist Kult. Oder camp, wie Susan Sontag das in ihren Notes on 'Camp' genannt hat. Wenn Sie einen kleinen Eindruck von Maria Montez haben wollen, schauen Sie einmal hier hinein. Sie können sich natürlich auch Cobra Woman anschauen, den Film über den Pauline Kael gesagt hat: Peerless … classic … not a single sane moment.

Die Filmkarierre der exotischen Schönheit war nur kurz, Universal hatte noch andere Schönheiten wie Yvonne de Carlo und Maureen O'Hara unter Vertrag. Außer dem Phantasienamen hatte Yvonne de Carlo nichts Exotisches, aber die Zeit der tits and sand Filme war sowieso vorbei. Maria Montez hat den französischen Filmschauspieler Jean-Pierre Aumont geheiratet und ist mit ihm nach Frankreich gezogen. 1951 ist sie unter ungeklärten Umständen (wie es sich für einen Filmstar gehört) in der Badewanne ertrunken. Vera West, die die Kostüme für die Maria Montez Filme entworfen hatte, hatte sich 1947 in ihrem Swimming Pool ertränkt. Wait for me at the bottom of the pool, exotische Filme sind eine gefährliche Sache.

Maria Montez sollte in Jean Cocteaus Film Orphée die Rolle des Todes spielen, aber Cocteau kriegte nicht genügend Geld für die Gage zusammen, und so dreht er den Film mit seinen Freunden Jean Marais und Maria Casares (eh die bessere Wahl für die Rolle). Maria Montez war natürlich enttäuscht, ihr Ehemann versuchte sie aufzumuntern You’ll have other roles, more beautiful and charming ones to suit your personality. Woraufhin sie zu Antwort gab But darling, death should be beautiful and charming.

Als Montez starb, notierte Jean Cocteau in seinem Tagebuch: Incredible death of Maria Montez--heart attack in her bath, drowns. Jean-Pierre was out with the little girl. Das kleine Mädchen, für dessen Geburt der mit den Aumonts befreundete Cocteau ein Gedicht geschrieben hatte, hieß Tina. Auch sie wird eine Filmschauspielerin werden. Ihr Vater wird wieder heiraten, natürlich wieder eine Schauspielerin: die Zwillingsschwester von Pier Angeli (die ebenso wie Maria Montez auch nur 39 Jahre alt wurde). Tina Aumont sah ja ganz niedlich aus, aber was wird aus hübschen jungen Frauen im Film in den siebziger Jahren?

Sie bekommt eine kleine Rolle in Joseph Loseys Modesty Blaise, da darf sie in einem Film mit Dirk Bogarde spielen. Dann ein kleiner Auftritt in Fellinis Casanova. Doch dann landet sie bei dem Schmuddelfilmer Tinto Brass und auf der Titelseite des Playboy, Frischfleisch für die Softpornoszene. Es ist eine Tragödie. Sexual fantasizing is the pitiful means whereby the truly unpleasant difficult sex function is swathed in glamour, perversity, and ultimately, simply, interest.

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