Donnerstag, 28. Januar 2021

Nina van Pallandt

Also, in dem Robert Altman Film The Long Goodbye sah sie damals toll aus. Could you find my husband for me, please, Mr Marlowe? sagt sie zu Robert Gould. Sie ist da schon vierzig, hat aber diesen zeitlosen Look, mit dem sie in allen schwedischen Filmen auftreten könnte. Wollen wir wissen, wie sie heute aussieht? Sie hat heute ihren achtzigsten Geburtstag. Tilykke med fødsedsdagen. Ich werde meine alte Platte hervorkramen, auf der Nina & Frederick: Strange World steht. Mit einem Schwarzweiß Cover, das direkt aus dem Design der Zeitschrift Twen hätte stammen können. Wir hatten an der Schule mal eine junge Kunstlehrerin, von der gemunkelt wurde, sie sei die Assistentin von Willy Fleckhaus beim twen gewesen. Die Zeitschrift fand ich ja damals ganz toll, und für den Anfang der sechziger Jahre war sie das auch.

Leider ist der schöne Katalog von ➱Michael Koetzle twen: Revision einer Legende inzwischen auch schon Vergangenheit (ich habe natürlich einen). Ich war einmal Anfang der sechziger Jahre auf einer Kulturtagung (natürlich nur, weil man dafür schulfrei bekam), wo eine Dame mit Dutt und grauer Strickjacke hasserfüllt einen Vortrag über den twen hielt. Das Magazin war für sie der Untergang des Abendlandes. Wahrscheinlich weil da Photos von Sam Haskins drin waren, die damals als verworfen galten. Die Dame reichte auch zur Abschreckung einige Hefte herum. Die habe ich alle mitgenommen, damit meine Mitschüler nicht in Versuchung gerieten, in den Strudel des Unterganges gezogen zu werden. Unglücklicherweise fand ich später heraus, dass die Vortragende die Tante meiner damaligen Freundin war.

Nina van Pallandt wurde als Nina Magdelene Møller-Hasselbalch in Kopenhagen geboren, 1960 hat sie den dänischen Baron Frederik van Pallandt geheiratet. Die beiden sind dann als Nina & Frederik weltberühmt geworden, das war das easy listening der sechziger Jahre mit dieser schnuckeligen Skandinavierin als Beigabe auf dem Cover der LP. Ihr erster Filmauftritt war nicht so toll wie der in The Long Goodbye. Der Film hieß Mandolinen und Mondschein, wenn Sie einen wirklichen Retro Schock haben wollen, dann schauen Sie jetzt mal eben hier hinein.

Die Ehe des Traumpaares hielt neun Jahre. Da hatten sie alles gesungen, was Harry Belafonte und andere Folksänger im Programm hatten, seicht und melodisch. Von da an machten sie nur noch Schlagzeilen, die man nicht so gerne las. Wie hier auf dem Titelbild von LifeThe Singing Baroness in the Hughes Affair. Ich lasse das alles mal lieber weg. Wie verschieden war jetzt Nina van Pallandts Welt von dem Text auf der Platte Strange World, wo es am Schluss hieß: Nina and Frederik are unique entertainers and rare people. In a world often noisy they produce gentle sound; to a world often vulgar they bring dignity.

Robert Altmans Verfilmung von Raymond Chandlers The Long Goodbye warf die blonde Dänin in eine noisy and vulgar world. Es ist kein Augenblick Ruhe in dem Film: I decided that the camera should never stop moving. It was arbitrary... It gave me that feeling that when the audience see the film, they're kind of a voyeur. You're looking at something you shouldn't be looking at... My method also means you don't have to light for close-ups; you only have to accommodate what may happen, so you just light the scene and it saves a lot of time. The rougher it looked, the better it served my purpose. Altmann transponiert das Los Angeles der vierziger Jahre in das nervöse Kalifornien der siebziger Jahre. Die Handlung des Romans ist nur noch rudimentär zu erkennen, und dennoch ist es irgendwie ein gelungener Film; it's an original work, complex without being obscure, visually breathtaking without seeming to be inappropriately fancy, schrieb Vincent Canby in der New York Times. Was natürlich an der hervorragenden Kameraarbeit von Vilmos Zsigmond lag, der diesem neo-noir Film seinen Stempel aufdrückte. Und an Nina van Pallandt. Auch wenn wir eine halbe Stunde lang warten müssen, bis wir sie zum ersten Mal sehen.

Elliott Goulds wäre sicherlich nicht jedermanns Wahl als Marlowe gewesen, aber Robert Altman gab dem damals arbeitslosen Gould die Rolle seines Lebens. Denn zuvor hatte der eigentlich nur zwei gute Filme gedreht: Bob & Carol & Ted & Alice (1969) und M*A*S*H (1970). Und seine Verkörperung von Philip Marlowe brachte ihn als Star for an Uptight Age auf das Titelblatt von Time (Elvis hat das nie geschafft). He embodies an inner need to be hip at the risk of seeming silly, the struggle not to give in to the indignity and/or insanity of contemporary life, schrieb Time. Es war die Zeit, wo man hip und with it sein musste, und der zerknautschte Elliott Gould war das.

Für viele Kritiker blieb natürlich Humphrey Bogart die filmische Verkörperung von Philip Marlowe, der Meinung scheint auch Raymond Chandler gewesen zu sein. So schreibt er in einem Brief an seinen englischen Verleger Hamish Hamilton: When and if you see The Big Sleep (the first half of it anyhow), you will realize what can be done with this sort of story by a director with the gift of atmosphere and the requisite touch of hidden sadism. Bogart, of course, is also so much better than any other tough-guy actor that he makes bums of the Ladds and the Powells. As we say here, Bogart can be tough without a gun. Also he has of humor that contains that grating undertone of contempt. Ladd is hard, bitter and occasionally charming, but he is after all a small boy's idea of a tough guy. Bogart is the genuine article.

Doch so gut Humphrey Bogart für den Film Noir sein mochte (der Robert Mitchum von Out of the Past wäre auch gut für die Rolle gewesen), jetzt waren die siebziger Jahre gekommen. Da konnte man dem Publikum kaum eine Phantasiefigur eines Autors verkaufen, der eigentlich immer noch im Zeitalter der Königin Viktoria lebte. Mit all diesen Rittern in Literatur und Malerei. Wen hätte man für die Rolle nehmen sollen? Robert Mitchum als alternder Marlowe in Farewell My Lovely war nicht schlecht (Charlotte Rampling auch nicht), er hätte es dabei belassen sollen. Denn in dem Re-Make von The Big Sleep (nicht mehr im L.A. von 1939 sondern im London der 70er Jahre) von Michael Winner hat er seinen guten Ruf aufs Spiel gesetzt. Michael Winner ist einfach nicht intelligent genug für einen richtigen neo-noir Film. Und London ist nicht L.A.

Altmans L.A. ist auch ein anderes L.A. als das von Raymond Chandler. Er hätte natürlich einen Retro-Film drehen können, so etwas war damals en vogue, wenn wir an Chinatown denken. Ein klein wenig Retro war die Nachbehandlung des Filmmaterials: I was worried about the harsh light of southern California and I wanted to give the film the soft, pastel look you see on old postcards from the 1940s. So we post-flashed the film even further than we did on McCabe & Mrs Miller, almost 100 percent. Aber es sollte nicht bei diesem leichten Verfremdungseffekt bleiben. Altman hatte sich zu einer radikalen Lösung entschlossen: I decided that we were going to call him Rip Van Marlowe, as if he'd been asleep for twenty years, had woken up and was wandering through this landscape of the early 1970s, but trying to invoke the morals of a previous era. I put him in that dark suit, white shirt and tie, while everyone else was smelling incense and smoking pot and going topless; everything was health food and exercise and cool. So we just satirized that whole time. And that's why that line of Elliott's – 'It's OK with me' – became his key line throughout the film

Eigentlich ist die Hauptfigur seines Films die Stadt Los Angeles (ein Los Angeles, das Chandler nicht wiedererkannt hätte), durch die Elliott Gould - mehr schlemihl als Ritter - streift. Aber so neu alles sein mag, manches ändert sich nie. Und die femme fatale, wie das good-bad girl ein Wesenselement des Film Noir, bleibt natürlich die femme fatale. Auch wenn sie blond ist und wie eine Schwedin aussieht und Nina van Pallandt ist. Und im Film Eileen Wade heißt. She looked exhausted now, and frail, and very beautiful, heißt es im Roman, da ist Philip Marlowe schon ganz hin und wegWenn sie im Film sagt Could you find my husband for me, please, Mr Marlowe? Kann Philip Marlowe da widerstehen? Es ist das Los dieses tough guy Ritters, dass er immer wieder die damsel in distress retten müssen.

In Chandlers Roman The Long Goodbye schreibt Eileen Wade in ihrem Abschiedsbrief: Time makes everything mean and shabby and wrinkled. The tragedy of life... is not that the beautiful things die young, but that they grow old and meanIt will not happen to me. Nina van Pallandt wird im Film dieser Satz erspart (im wirklichen Leben vielleicht nicht), ihre Eileen Wade lebt am Ende des Films noch. Fährt im Jeep an Elliott Gould vorbei, der sie nicht bemerkt. Der einsam aber fröhlich diese Allee hinuntergeht (down these mean streets a man must go), bis er zum Schluss aus den Bild hüpft. Stand so nicht bei Chandler, war aber auch irgendwie gut.

Mittwoch, 27. Januar 2021

Coco Chanel

Heute (10.1.2021) vor fünfzig Jahren ist sie in ihrer Suite im Hotel Ritz gestorben. Diese Suite hatte sie nie aufgegeben, auch in den langen Jahren nicht, als sie den Boden Frankreichs nicht mehr betreten durfte. Als sie im Alter von 87 Jahren starb, kannte jeder ihren Namen. Der auch der Name eines Parfüms war, von dem Marilyn Monroe gesagt hatte: What do I wear in bed? Why, Chanel No. 5, of course.

Das Kind Gabrielle Chanel, unehelich geborene Tochter des Hausierers Albert Chanel, konnte von dem Ritz nur träumen. Das war das, wo sie hin wollte, egal, um welchen Preis. Es gab damals nicht nur ein Paris. Es gab das Paris von Emile Zola, und es gab das Paris von Marcel Proust. Gabrielle wollte in die Welt von Proust, die Welt von Zola kannte sie zur Genüge. In Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt sie aber nicht vor. Das Kleid von Fortuny, das Albertine an diesem Abend angelegt hatte, kam mir wie ein lockender Schatten jenes unsichtbaren Venedig vor. Morgenländische Ornamente überzogen es überall, die unzählige Male auf dem schillernden Gewebe von tiefem Blau wiederkehrten, das unter meinem vorwärtstastenden Blick sich in schmiegsames Gold verwandelte durch eine ähnliche Metamorphose, wie sie vor der vorwärtsgleitenden Gondel flammendes Metall aus der Azurtönung des Canale Grande macht, heißt es bei Proust. Auch die Herzogin von Guermantes trägt Fortuny. Wenn man sehr viel Glück hat, kann man ein solches Kleid (wie hier auf dem Bild) heute auf einer Auktion für zehntausend Euro ersteigern. Ein Chanel Kostüm ist da sehr viel preiswerter.

Der Rest der Damen aus der Aristokratie bei Marcel Proust wird wahrscheinlich Paul Poiret tragen. Gegen den kommt die Chanel, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Geld ihres Liebhabers ihren ersten Salon in Paris aufgemacht hat, noch nicht an. Ihre Kundschaft ist auch eher die Demimonde und nicht die wirklich feine Welt. Die kauft die Haute Couture bei Madame Grès oder bei Captain Molyneux, bei Elsa Schiaparelli oder bei Madeleine Vionnet. Die alle modehistorisch bedeutender sind als Chanel, die aber nicht das Selbstvermarktungsgenie von Coco Chanel haben.

Denn die Geschichte der Coco Chanel, die gesagt haben soll Ich mache keine Mode, ich bin die Mode, ist die Geschichte eines selbst gestrickten Mythos. Daran hat sie ihr Leben lang gearbeitet. Sie hat ihre Biographie bis zur Unkenntlichkeit gefälscht, bis sie ein Markenzeichen wurde. Sie war nicht die erste, die die Kleider vom Korsett befreite. Das hatte schon Paul Poiret getan. Sie hat Chanel No. 5 nicht erfunden, das hat der Parfümeur Ernest Beaux erfunden. Das Geld für das ganze Unternehmen kommt von Pierre Wertheimer, die Chanel hat nur einen zehnprozentigen Anteil. Noch heute ist das Modehaus Chanel (Parfüm inklusive) im Alleinbesitz der Familie Wertheimer, einer der reichsten Familien Frankreichs.

Aber das kleine Schwarze hat sie erfunden. Und das Chanel Kostüm. Das aber erst als sie siebzig war und gerade wieder nach Paris zurückgekommen war. Wurde zuerst von der Presse verlacht, trat dann aber seinen Siegeszug im Amerika von Eisenhower und im Deutschland von Adenauer an, der Inbegriff der Eleganz für das Bürgertum (ja, meine Mutter hatte auch mehrere). In Paris hatte man ein Jahrzehnt nach dem Kriegsende gnädig die Vergangenheit der Frau mit der Suite im Ritz vergessen. Die sich dort, als alle deutschen Offiziere der Besatzung ihren Frauen Chanel No. 5 mit nach Deutschland brachten, einen der Nazi-Besatzer geangelt hatte, den Baron von Dincklage. Sie hatte sich ihre Liebhaber immer nach Geld und Einfluss ausgesucht.

Der Pariser Industriellensohn Etienne Balsan hatte sie in die Gesellschaft eingeführt, der englische Bergwerkbesitzer Boy Capel hatte der Modistin den ersten Laden finanziert. Später kam noch ein englischer Herzog dazu, jetzt war es ein Repräsentant von Hitlers Deutschland. Für dessen Vorgesetzten, den SS General Walter Schellenberg, sie später noch die Beerdigung bezahlt hat. Vielleicht wäre das Goethewort Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist an dieser Stelle ganz angebracht. Während der occupation allemande hat sie versucht, die Firma Chanel zu arisieren und sich in den Besitz der siebzig Prozent Firmenanteils der nach Amerika geflohenen Wertheimers zu setzen. An solche Dinge sollte man auch denken, bevor man unkritisch Coco Chanel zu einem Mythos macht.

In der Welt des schönen Scheins, wo das Design das Sein überstrahlt, kommen viele Designer von ganz unten und wollen nach ganz oben. Weil die glitzernde Eleganz da oben ihnen als begehrenswertes Ideal im Gegensatz zu ihrer ärmlichen Kindheit erscheint. Nicht unserem Karl Lagerfeld, der später das Design von Coco Chanel prägte. Der kam aus der Glücksklee Büchsenmilch Dynastie. Aber Gabrielle Chanel und Ralph Lifshitz (der heute Ralph Lauren heißt) wären solche Fälle. Jeremy Hackett ist sich seiner Herkunft aus der working class immerhin noch bewusst. Im letzten Jahr hat es gleich zwei Filme gegeben, die an dem Mythos Chanel arbeiteten: Coco avant Chanel (mit der schnuckeligen kleinen Audrey Tatou) und Coco Chanel & Igor Stravinsky. Die Nazi-Vergangenheit der Heldin sparen beide Filme aus.

Die Dokumentation Coco Chanel, die Revolution der Eleganz ist noch drei Wochen in der arte Mediathek zu sehen. Den Film Chanel Solitaire mit der wunderbaren Marie-France Pisier (Bild) habe ich auch, aber leider in einer schlechten Qualität. Der Post zu Coco Chanel stand hier schon vor zehn Jahren, er ist ein wenig überarbeitet und durch Links zu den Chanel Filmen ergänzt worden. Denn Filme über ihr Leben gibt es genug, ich sollte noch den zweiteiligen Film  Coco Chanel aus dem Jahre 2008 erwähnen, in dem die  slowakischen Schauspielerin Barbora Bobuľová die junge Coco Chanel spielt und Shirley die Coco Chanel nach dem Zweiten Weltkrieg verkörpert. Über Madame Grès und Madeleine Vionnet gibt es keine Spielfilme.

Dienstag, 26. Januar 2021

The Hill We Climb

Heute Morgen (20.1.2020) konnte ich nur acht Zeilen aus dem Gedicht The Hill We Climb von Amanda Gorman zitieren, mehr gab das Internet nicht her. Aber jetzt ist die Inaugurationsfeier vorbei, Sie können die junge Dichterin hier sehen. Es gibt schon beinahe zweihundert Kommentare. Ich zitiere einmal einen davon: A nation that isn't broken / but simply unfinished. When you're 22 and the President asks you to stand in the shoes of Maya Angelou and Robert Frost and you absolutely nail it. Incredible. Und ein Transkript des Gedichts habe ich auch:


 Mr. President, Dr. Biden, Madam Vice President, Mr. Emhoff, Americans and the world, when day comes we ask ourselves where can we find light in this never-ending shade? The loss we carry a sea we must wade. We’ve braved the belly of the beast. We’ve learned that quiet isn’t always peace. In the norms and notions of what just is isn’t always justice. And yet, the dawn is ours before we knew it. Somehow we do it. Somehow we’ve weathered and witnessed a nation that isn’t broken, but simply unfinished. We, the successors of a country and a time where a skinny black girl descended from slaves and raised by a single mother can dream of becoming president only to find herself reciting for one:

And yes, we are far from polished, far from pristine, but that doesn’t mean we are striving to form a union that is perfect. We are striving to forge our union with purpose. To compose a country committed to all cultures, colors, characters, and conditions of man. And so we lift our gazes not to what stands between us, but what stands before us. We close the divide because we know to put our future first, we must first put our differences aside. We lay down our arms so we can reach out our arms to one another. We seek harm to none and harmony for all. Let the globe, if nothing else, say this is true. That even as we grieved, we grew. That even as we hurt, we hoped. That even as we tired, we tried that will forever be tied together victorious. Not because we will never again know defeat, but because we will never again sow division.

Scripture tells us to envision that everyone shall sit under their own vine and fig tree and no one shall make them afraid. If we’re to live up to her own time, then victory won’t lie in the blade, but in all the bridges we’ve made. That is the promise to glade, the hill we climb if only we dare. It’s because being American is more than a pride we inherit. It’s the past we step into and how we repair it. We’ve seen a forest that would shatter our nation rather than share it. Would destroy our country if it meant delaying democracy. This effort very nearly succeeded.

But while democracy can be periodically delayed, it can never be permanently defeated. In this truth, in this faith we trust for while we have our eyes on the future, history has its eyes on us. This is the era of just redemption. We feared it at its inception. We did not feel prepared to be the heirs of such a terrifying hour, but within it, we found the power to author a new chapter, to offer hope and laughter to ourselves so while once we asked, how could we possibly prevail over catastrophe? Now we assert, how could catastrophe possibly prevail over us?

We will not march back to what was, but move to what shall be a country that is bruised, but whole, benevolent, but bold, fierce, and free. We will not be turned around or interrupted by intimidation because we know our inaction and inertia will be the inheritance of the next generation. Our blunders become their burdens. But one thing is certain, if we merge mercy with might and might with right, then love becomes our legacy and change our children’s birthright.

So let us leave behind a country better than the one we were left with. Every breath from my bronze-pounded chest we will raise this wounded world into a wondrous one. We will rise from the gold-limbed hills of the West. We will rise from the wind-swept Northeast where our forefathers first realized revolution. We will rise from the Lake Rim cities of the Midwestern states. We will rise from the sun-baked South. We will rebuild, reconcile and recover in every known nook of our nation, in every corner called our country our people diverse and beautiful will emerge battered and beautiful. When day comes, we step out of the shade aflame and unafraid. The new dawn blooms as we free it. For there is always light. If only we’re brave enough to see it. If only we’re brave enough to be it.

Eine deutsche Übersetzung des Gedichts finden Sie hier.

Orchideen

Ich lese natürlich Anna Karenina zu Ende, das habe ich in dem Post Oberrock schon gesagt. Aber ich habe die Lektüre erst einmal unterbrochen, weil ich mal eben Eine Liebe von Swann neu lesen musste. Nicht in dieser von Jean-Yves Tadié besorgten Ausgabe (Collection Folio classique (n° 6439) Gallimard), sondern in einer mir bis dato unbekannten Übersetzung. Ich suchte für den Anfang des Posts ein Bild von Un amour de Swann und fand dieses, eine stilisierte Blume, umgeben von einem Wirrwarr von Pfeilen. Ich betrachtete das Bild einen Augenblick lang und wusste, was es sein sollte. Die stilisierte Blume ist eine Cattleya, eine Orchideenart. Und diese nach dem britischen Orchideengärtner William Cattley benannte Pflanze hat eine besondere Bedeutung für den Roman, die es rechtfertigt, als Bild auf den Buchumschlag zu kommen.

Odette de Crécy, in die sich Charles Swann verliebt, trägt eine solche Blume im Ausschnitt ihres Kleides. Sie liebt an Blumen nur diese Cattleya (bei Proust catleya) und Chrysanthemen, ihre Wohnung ist voll davon. Die schöne Odette ist, das müssen wir vorausschicken, eine Halbweltdame. Also eine Frau, die uns auch in den Posts les grandes horizontales und Demimonde hätte begegnen können. Oder in dem Post über Marie Duplessis, das Vorbild für die Kameliendame Violetta Valéry in La Traviata

Von der weiß man ja, wieviel Geld sie für Blumen ausgegeben hat, weil man irgendwann nach ihrem Tod die Rechnungen der Floristen gefunden hat. Wenn man sich die Portraits der Damen der Belle Époque von Giovanni Boldini anschaut, dann wird man sehr häufig Blumen im Ausschnitt des Kleides finden. Wie hier bei der Prinzessin Radziwill, einer ersten Jugendliebe von Proust.

Diese Bilder von Prinzessinnen, Comtessen und Courtisanen, die heute wie eine Galerie von Pin Up Girls der Hautevolee des Fin de Siècle wirken, haben natürlich etwas Erotisches an sich. Die muet language des robes, von der Proust spricht, ist nicht wirklich stumm. Die Prinzessin Bibesco, die ihre Begegnung mit Marcel Proust niederschreiben wird (deutsch als Paperback im Insel Verlag), wird hier vom Maler mehr aus- als angezogen. Aber wenn sie auch beinahe nackt ist, die Blume im Ausschnitt des angedeuteten Kleides darf nicht fehlen.

Diese Dame hier auf dem Gemälde von Raimundo de Madrazo y Garreta trägt auch eine Orchidee im Ausschnitt. Sie heißt Laure Hayman und ist die Geliebte von Prousts Großonkel Louis (und vielleicht die auch seines Vaters). Als Louis Weil sie ihm 1888 vorstellt, ist Proust siebzehn Jahre alt, er ist von der zwanzig Jahre älteren Courtisane hingerissen. Drei Jahre später schenkt sie ihrem jugendlichen Verehrer die Erzählung Gladys Harvey von Paul Bourget (der auch einer ihrer Liebhaber war), eingebunden in die Seide eines ihrer Unterröcke. Und mit der Widmung Ne rencontrez jamais une Gladys Harvey versehen. Die Gladys Harvey in Bourgets Roman ist eine Courtisane, mit diesem Werk ist Laure Hayman in die Literatur gewandert. 

Dort wird sie bleiben, denn Proust macht sie zu Odette de Crécy. Der junge Proust ruiniert sich beinahe finanziell, weil er ihr immer Chrysanthemen schickt, ces fleurs fières et tristes comme vous. Wenn Laure Hayman (hier auf dem Gemälde von Federico de Madrazo y Ochoa nackt, aber mit Blumen im Haar) entdeckt, dass Proust sie in eine Romanfigur verwandelt hat, wird sie ihm einen wütenden Brief schreiben, in dem sie ihn anklagt, ein Monster zu sein. Eine Frau, die ich vor 30 Jahren geliebt habe, schreibt mir einen wütenden Brief um mir zu sagen, Odette sei sie, ich sei ein Scheusal. Solche Briefe (und die Antworten darauf) nehmen einem die Lust zur Arbeit, von der Freude an ihr ganz zu schweigen: auf sie habe ich seit langem verzichtet, schreibt Proust im Mai 1922 an seinen Verleger.

Die kreolische Schönheit, die Francis Hayman, den Lehrer von Thomas Gainsborough zu ihren Vorfahren zählt, hat zehn Jahre gebraucht, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass sie Odette sei. Das ist nun ein wenig lächerlich. Laure Hayman war auch nicht die einzige, die ein Vorbild für Odette ist. Die Dame auf diesem Bild mit den Chrysanthemen im Ausschnitt ist nicht Gladys Harvey, das ist Gladys Marie Deacon, über die Proust schrieb: Ich sah noch nie ein Mädchen mit einer solchen Schönheit, Intelligenz, sowie Güte und Charme. Wenn die den Duke of Marlborough heiratet, wird Proust ihr Gast bei der standesamtlichen Trauung sein. Wahrscheinlich trägt er dann wieder eine Orchidee im Knopfloch wie auf dem Portrait von Jacques-Emile Blanche.

Als Vorbild für Odette wird auch immer noch Méry Laurent genannt, Modell und Geliebte von Manet und Vorbild für Zolas Roman Nana. Und da ich bei Manet und Nana bin, muss ich diese junge Dame unbedingt abbilden. Diese Nana, blond wie Laure Hayman, heißt Henriette Hauser, sie ist auch eine Courtisane, die Geliebte des Prinzen Wilhelm von Oranien-Nassau. Sie ist gerade dabei sich für den Abend anzukleiden, der Herr im Frack, den Manet ein Jahr später auf das Bild gemalt hat, wartet darauf, dass sie ihr Abendkleid anzieht. Wahrscheinlich wird sie sich auch eine Orchidee in den Ausschnitt stecken, denn Orchideen sind jetzt chic.

Wo kommen die Orchideen plötzlich her? Ursula Voß sagt in ihrem Buch Kleider wie Kunstwerke: Marcel Proust und die ModeGauguin hatte mit seinen Gemälden von tierhaft sinnlichen Südseeinsulanerinnen den Blumenschmuck im Haar nach Paris gebracht. Die erste Frau mit Blumen im Haar, die Proust sieht, ist die Gräfin GreffulheSie trug eine Frisur von polynesischer Anmut, und malvenfarbene Orchideen fielen ihr bis zum Nacken ... noch nie habe ich eine so schöne Frau gesehen. Die Gräfin Greffulhe, die für Proust das Vorbild der Herzogin von Guermantes wird, in die der Erzähler Marcel unsterblich verliebt ist, gehört natürlich nicht zur Demimonde. 

Auf diesem Photo von Nadar trägt sie keine Blumen im Haar und keine Orchideen im Ausschnitt, die Blumen sind alle auf dem Abendkleid von Charles Frederick Worth, das heute den Namen Robe aux Lys trägt und in einem Pariser Museum zu sehen ist. Sie trägt aber auch manchmal Orchideen, so schreibt Proust an Robert de Montesquiou über einen Ball im Jahre 1894: 

Die Gräfin Greffulhe, kostbar gekleidet: ein Kleid aus fliederrosa Seide, übersät mit Orchideen, bedeckt von Seidenmusselin im gleichen Farbton, der Hut mit Or­chideen geschmückt und ganz von lila Gaze umhüllt. 
Kurz vor seinem Tod erbittet sich Proust von der Comtesse einen signierten Abzug des Photos von Nadar, damit er ihre vollendete Schönheit in der Einsamkeit seine Zimmers betrachten könne. Sie lehnt ab. Zwanzig Jahre später wird sie in einem Interview sagen, dass sie Proust kaum gekannt habe und keinerlei Briefe von ihm besitze.

Lassen Sie mich von den Blumen im Haar der schönsten Frau von Paris, die ihren größten Verehrer schnöde verleugnet, wieder zu der Demimonde zurückkehre. Und zu den Blumen im Ausschnitt der Abendkleider. Wie hier bei Marthe Régnier, einer Schauspielerin, die die Mätresse des Barons Henri de Rothschild ist. Ursula Voß weiß in ihrem Buch einiges über die Orchideen bei Proust zu sagen: Weibliches Begehren, die Triebhaftigkeit der Femme fatale, symbolisiert am sprechendsten eine florale Züchtung, ein letztes verfeinertes Produkt der wildwachsenen exotischen Orchidee von unverhohlenem Aufforderungscharakter. Dem Dichter wird sie zum Code für die weibliche Erotik, gleichsam ein Haute-Couture-Gewächs in komplizierter Form und Schnittraffinesse und fein abgestuftem Violett von Hell bis Tintendunkel die Cattleya trianae, ein Sexualorgan in den Augen der Proustologen.

Und damit sind wir beim Thema: Sex. Swann und Odette sitzen in einer Kutsche, die durch vor einem Hindernis scheuende Pferde ein wenig ins Wackeln gekommen ist. Und jetzt sagt Swann zu Odette: 'Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich die Blumen an Ihrem Ausschnitt wieder zurechtrücke, die durch den Stoß verrutscht sind? Ich habe Angst, daß Sie sie verlieren könnten, ich werde sie etwas tiefer hineinstecken.' Sie, die nicht gewohnt war, dass die Männer so viele Umstände mit ihr machten, antwortete lächelnd: 'Aber nein, das macht mir gar nichts aus.' Sie ahnen, was nun passiert.

In ihrem Proust-ABC sagt Ulrike Sprenger: unter dem Vorwand, das Gesteck in ihrem Ausschnitt wieder zurechtzurücken, liebkost Swann ihren Hals, ihre Schultern und ihre Brüste. Für beide ist diese Form der indirekten Annäherung etwas Besonderes: Für Swann, weil er auf diese Weise bis in die erotische Berührung hinein die begehrte Frau als Kunstwerk empfinden kann, die prächtigen, aber geruchlosen und künstlichen Blüten verleihen ihr den Charakter eines kostbaren Blumenarrangements, und für Odette, weil sie es nicht gewohnt ist, daß Männer viele Umstände machen. So bleibt die erste Berührung deswegen reizvoll, weil sie den Umweg »durch die Blume« nimmt, noch keinen endgültigen Besitz bedeutet - weil das Bild der Blume den individuellen Phantasien und Sehnsüchte der Liebenden eine Projektionsfläche bietet. Als die Liebe zwischen Swann und Odette erkaltet und Sex längst zur körperlichen Routine geworden ist, bewahren zwei Dinge die Erinnerung an eine einzigartige Leidenschaft: Das kleine Thema Vinteuils und der Ausdruck »Cattleya machen«, den Odette und Swann seit der ersten Berührung für die körperliche Liebe verwenden. 

Wir brauchen für die Szene in der Kutsche keine Bilder aus einem Film, wir bleiben im Roman. Und wir wissen jetzt, dass die französische Sprache für das faire l'amour jetzt noch einen anderen Begriff hinzugewonnen hat: la métaphore « faire catleya » devenue un simple vocable qu’ils employaient sans y penser quand ils voulaient signifier l’acte de la possession physique — où d’ailleurs l’on ne possède rien — survécut dans leur langage, où elle le commémorait, à cet usage oublié. Et peut-être cette manière particulière de dire « faire l’amour » ne signifiait-elle pas exactement la même chose que ses synonymes. On a beau être blasé sur les femmes, considérer la possession des plus différentes comme toujours la même et connue d’avance, elle devient au contraire un plaisir nouveau s’il s’agit de femmes assez difficiles — ou crues telles par nous — pour que nous soyons obligés de la faire naître de quelque épisode imprévu de nos relations avec elles, comme avait été la première fois pour Swann l’arrangement des catleyas.