Mittwoch, 3. Juni 2020

Veronica Lake


So hat sie das Studio inszeniert, so wollte das Publikum sie sehen. Ihre erste Hauptrolle hatte das peek-a-boo girl in Sullivan's Travels. Ihr damaliger Partner Joel McCrea hat später, als er die Rolle an ihrer Seite in I Married a Witch (hier der ganze Film) ausschlug, gesagt: Life's too short for two films with Veronica Lake. Sie war eins der vielen schönen Kunstprodukte der Traumfabrik, aber niemand mochte sie. Ihren Spitznamen The Bitch hat sie sich redlich verdient. Aber sie war ungeheuer cool in den film noir Produkten, die in den vierziger Jahre Mode waren. Von This Gun for Hire bis zu The Blue Dahlia. Obgleich sie natürlich nicht an Rita Hayworth in Gilda herankam. Leslie Halliwells Filmgoer's Companion notiert etwas gehässig: Petite American leading lady who now, with her limited acting ability and her 'peek a boo bang' (long blonde hair obscuring one eye), seems an appropriately artificial image for the Hollywood of the early forties.

Raymond Chandler, der das Drehbuch zu The Blue Dahlia schrieb, konnte Veronica Lake nicht leiden, Moronica Lake nannte er sie im Stillen. Die Studios von Hollywood liebten Chandler damals, weil sein Drehbuch zu Double Indemnity einen ungeheuer erfolgreichen Film produziert hatte. Doch die Dreharbeiten zu The Blue Dahlia schienen zu einer Katastrophe zu werden, Veronica Lake und Alan Ladd waren in den Liebesszenen nicht überzeugend. Der Regisseur wusste nicht, wohin ihn der Film führte, Chandler hatte das Skript noch nicht fertig. Obgleich ihm das Studio Extraprämien versprach, konnte er seinen writer's block nicht überwinden.

Da machte er dem englischen Produzenten John Houseman, dem er sich verpflichtet fühlte, weil der wie er auf einer Public School gewesen war ein Geständnis. Und ein erstaunliches Angebot. Er sei Alkoholiker, sei aber seit langem trocken. Nur der Alkohol gäbe ihm an energy and a self-assurance that he could not achieve in any other way. Er würde jetzt wieder mit dem Saufen anfangen, und das Studio möge für die folgenden Dinge sorgen: A. Two Cadillac limousines, to stand day and night outside the house with drivers available for: 1. Fetching the doctor. 2. Taking script pages to and from the studio. 3. Driving the maid to market. 4. Contingencies and emergencies. B. Six secretaries – in three relays of two – to be in constant attendance and readiness, available at all times for dictation, typing, and other possible emergencies. C. A direct line open at all times, to my office by day and the studio switchboard at night. Houseman dachte eine halbe Stunde darüber nach, dann gab er sein O.K. Chandlers Drehbuch für The Blue Dahlia erhielt eine Oscar Nominierung.

In den vierziger Jahren wollten alle Frauen in Amerika wie das peek-a-boo girl Veronica Lake aussehen. Der Look hielt sich offensichtlich noch länger. Für den englischen Dichter Ted Hughes war die Assoziation bei Sylvia Plath, die er später heiraten sollte, auch Veronica Lake. Er hat das in seinem Gedicht Fulbright Scholars beschrieben:

Where was it, in the Strand? A display
Of news items, in photographs.
For some reason I noticed it.
A picture of that year's intake
Of Fulbright Scholars. Just arriving -
Or arrived. Or some of them.
Were you among them? I studied it.
Not too minutely, wondering
Which of them I might meet.
I remember that thought. Not
Your face. No doubt I scanned particularly
The girls. Maybe I noticed you.
Maybe I weighed you up, feeling unlikely.
Noted your long hair, loose waves -
Your Veronica Lake bang. Not what it hid.
It would appear blond. And your grin.
Your exaggerated American
Grin for the cameras, the judges, the strangers, the frighteners.
Then I forgot. Yet I remember
The picture : the Fulbright Scholars.
With their luggage? It seems unlikely.
Could they have come as a team? That's as I remember.
From a stall near Charing Cross Station.
It was the first fresh peach I had ever tasted.
I could hardly believe how delicious.
At twenty-five I was dumbfounded afresh
By my ignorance of the simplest things.

Syvia Plath hat sich selbst wohl nicht als Veronica Lake gesehen. Vielleicht eher als Marilyn Monroe. In ihrem Tagebuch notiert sie im Oktober 1959 einen seltsamen Traum: Marilyn Monroe appeared to me last night in a dream as a kind of fairy godmother. An occasion of 'chatting' with audience much as the occasion with Eliot will turn out, I suppose. I spoke, almost in tears, of how much she and Arthur Miller meant to us, although they could, of course, not know us at all. She gave me an expert manicure. I had not washed my hair, and asked her about hairdressers, saying no matter where I went, they always imposed a horrid cut on me. She invited me to visit during the Christmas holidays, promising a new, flowering life.

Mit dem new, flowering life ist es für Syvia Plath nichts geworden, fünf Monate nach dem Tod von Marilyn Monroe hat sie Selbstmord begangen. So nett sie auf den Photos aussieht, sie hatte ein unglückliches Leben. Wie Veronica Lake. In den fünfziger Jahre, als die Firma ihres zweiten Ehemann André De Toth, in die Pleite ging, ging es auch mit Veronica Lake bergab. Die Schlagzeilen, die sie jetzt noch macht, haben nur noch mit Alkohol zu tun. Die Zeiten, da Onassis und Howard Hughes hinter ihr her waren, sind lange vorbei.

Wenn jetzt dieses Telegramm von Tommy Manville käme, sie würde annehmen. Es war damals eine kurze Botschaft: Will pay you 100- thousand dollars repeat 100-thousand dollars to marry me STOP Promise divorce within three repeat three days STOP Request immediate answer STOP Thank you. Tommy Manville. Ein Reporter findet sie eines Tages als Barmädchen in einem Hotel, die Story bringt ihr ein Comeback in kleinem Stil. Sie bekommt kleine Fernsehrollen und tritt in Off-Broadway Produktionen auf. Sie schreibt ihre Autobiographie (Veronica: The Autobiography of Veronica Lake), und mit dem Geld finanziert sie in England einen schrottigen Horrorfilm (Flesh Feast).

Veronica Lake ist heute [7.7.2013] vor vierzig Jahren gestorben. Sie wurde nur dreiundfünzig Jahre alt. Noch in den Tagen vor ihrem Tod im Krankenhaus hatte sie Photos signiert und Autogramme verteilt. Sie lebt auf Photos und in Filmen weiter. Oder in der Inkarnation von Kim Basinger in L.A. Confidential. Deshalb haben wir uns diesen Film doch angeguckt. Nur deshalb. Weil da dieser hässliche Aussie zu Kim Basinger sagt: You look better than Veronica Lake.


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