Diese junge Dame vor der Kamera heißt Micheline Bernardini, sie ist neunzehn Jahre alt. Sie präsentiert hier am 5. Juli 1946 in einer Badeanstalt die neueste Kreation von Louis Réard. Der über die 194 Quadratzentimeter Stoff sagte: Der Bikini ist so klein, dass er alles über die Trägerin enthüllt bis auf den Geburtsnamen ihrer Mutter! Er ließ sich das Kleidungsstück, das es schon seit den alten Römern gegeben hatte, sogleich beim französischen Patentamt als Gebrauchsmuster schützen. Die Nackttänzerin (oder sollen wir Revuegirl sagen?) Micheline Bernardini erhielt viel Post aus aller Welt.
Aber sie wurde auf der Bühne des Casino de Paris nie so berühmt, wie es wenige Jahre später Rita Renoir im Crazy Horse Saloon wurde. Die schaffte es sogar, von der Schickeria und Intelligenzija akzeptiert zu werden. Kam auch zum Film. In etwas zweifelhafte Streifen wie hier in Mono di Notte, aber sie durfte auch in Michelangelo Antonionis Die Rote Wüste mitspielen. Die Königin des Pariser Striptease ist vor wenigen Monaten im Alter von 82 Jahren gestorben.
Die Photos von Mademoiselle Micheline Bernardini wurden im Pariser Bad Piscine Molitor gemacht, um zu demonstrieren, dass es sich hier um Badebekleidung handelte. Die sich - wenn wir dieses Photo von der Jahrhundertwende betrachten - nun freizügiger gibt. Damals verhüllte man sich noch. Als ich klein war, besaß ich keine Badehose, sondern einen Badeanzug (der kommt schon in dem Post John Hoppner vor), die Sache mit den Pariser Zweiteilern brauchte einige Zeit, bis sie sich an den Weserstrand herumsprach.
Modehistorisch war das Kleidungsstück nicht unbedingt neu, das Monsieur Réard der Welt (beziehungsweise der Presse) am Körper der einzigen Frau in Paris, die das anzuziehen wagte, präsentierte. Wenn Sie den Wikipedia Artikel lesen, können Sie sehen, dass schon die Römer so etwas kannten. Und dass Eva Braun ihren germanischen Körper damit bedeckte. Und dass Hollywoodschönheiten wie hier Ava Gardner schon lange vor dem Jahr 1946 einen Zweiteiler trugen. Aber da gibt es Einschränkungen.
Für die Miss World Wahl im Jahre 1951 zum Beispiel war der Bikini nicht akzeptabel, der Vatikan wetterte auch gegen das Kleidungsstück. Und für das sittenstrenge puritanische Amerika war der kleine Bikini von Micheline Bernardini keineswegs annehmbar: der Bauchnabel musste in Amerika bedeckt sein. Man kann das sehr schön hier an Rita Hayworth sehen, auch die junge Marilyn Monroe trug ein ähnliches Modell. Ursula Andress durfte allerdings als schaumgeborene Venus in Dr No schon einen richtigen Bikini tragen.
Nach dem Bikini kam der Monokini von Rudi Gernreich, hier wiederum in einem Schwimmbad präsentiert. Wir wissen, dass sich dieses Bekleidungsstück in der Damenwelt nicht wirklich durchgesetzt hat. Erstens war es völlig unpraktisch und zweitens sahen selbst hübsche Frauen darin bescheuert aus: Although Gernreich believed he was freeing women from the bonds of fashion, the response to the Monokini was more witty entertainment than women's liberation—a freakish joke at women's expense.
Größeren Erfolg hatte da der von Margit Fellegi für die Firma Cole of California entworfene Scandal Suit. Hier wird er von der Schauspielerin Joan MacGowan getragen. Die Bildunterschrift lautet: Isn’t it time somebody created an absolutely wild scandal for nice girls? Mit Lycra zusammen gehalten, damit sich nicht zu viel öffnet, konnten sich auch nice girls und Californian blondes ein klein wenig skandalös fühlen. Gernreichs und Fellegis Entwürfe datieren aus den frühen sechziger Jahren, heute sind Monokini und Scandal Suit im Museum, der Bikini hat sich durchgesetzt.
Wahrscheinlich ist - auf jeden Fall für Europa - mal wieder Brigitte Bardot an allem Schuld. Dieses 1953 am Strand von Cannes gemachte Photo war der Beginn ihrer Karriere. Niemand kannte sie in Cannes, nach diesem Photo kannte sie die Welt. Eine neue Bombe ist geplatzt, und am nächsten Tag spricht die ganze Welt nur vom Bikini von BB, schreiben Patrice Gaulupeau und Ghislaine Rayer in ihrem Buch Bikini, la Légende. Seit Louis Réard sein Kleidungsstück Bikini nannte und es als Die erste anatomische Bombe bezeichnete, ist die mit Frauen verbundene Bombenmetaphorik nicht wegzubekommen.
Der Bikini hat seinen Namen nach dem Bikini Atoll. Wo die Amerikaner ihre neuesten Atombomben testen. Und nun wird es ein klein wenig pervers. Die Atombombe, die die Amerikaner auf das Bikini Atoll werfen, heißt Gilda und trägt das Bild von Rita Hayworth. Im Film Gilda geht es auch um böse Nazis und Atombomben. Es wäre ja verlockend, dazu etwas zu sagen, aber ich überlasse das Wort mal eben dem Princeton Professor Michael Wood, der in seinem Buch America in the Movies ein schönes Kapitel mit dem Titel Put the Blame on Mame hat:
The symbolism is enough to frighten off any but the most intrepid Freudians: the bomb dropped on Bikini was called 'Gilda' and had a picture of Rita Hayworth painted on it. The phallic agent of destruction underwent a sex change, and the delight and terror of our new power were channeled into an old and familiar story: our fear and love of women. We got rid of guilt, too: If women were always to blame, starting with Eve perhaps, or Mother Nature, then men can't be to blame. And in any case, as every steady moviegoer knows, women themselves aren't really to blame, because they can't help it. Sirens all, they sing men to their doom (sometimes doom is just domesticity), without meaning any harm.
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