Als ich in dem Post Marie Krøyer das Wort Malweiber benutzte, zögerte ich einen Augenblick. Das Wort, das man heute ironisch für die ersten Malerinnen in der Kaiserzeit verwendet, war im 19. Jahrhundert nur ein Schimpfwort. Im Simplicissimus konnte man 1901 unter der Zeichnung Malweiber von Bruno Paul lesen: Sehen Sie, Fräulein, es giebt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent. Und auch Peder Severin Krøyers Satz Aah, diese Damen, diese Damen, die alle malen wollen – lasst mich frei sein – ich will auf keinen Fall Schülerinnen – fertig beschreibt die Abneigung gegen die Frauen, die malen wollen.
Und bei Paula Becker-Modersohn klingt es nicht unbedingt positiv, wenn sie →1899 aus Worpswede ihren Eltern schreibt: Viel leichtes Gelichter, viel kleine Malweiblein haben ihren Einzug auf unserem Berg gehalten. Viele Malerinnen (auch Paula Becker-Modersohn) wollen nach Paris, wie die Frauen auf diesem Gemälde.
Aber Paris ist für viele junge Frauen eine große Enttäuschung: 1890 kam ich nach Paris. Hier ging mir eine neue Welt auf. Die ersten Besuche im Louvre betäubten mich fast. Aber von den Schulen, die ich sah, war ich enttäuscht, dort gefiel mir nichts. Ich entschloß mich, allein zu arbeiten und Rat und Urteil nur im Kreise einiger junger gleichgesinnter Freunde, fast alles Dänen und Norweger, zu sehen zu suchen. Das sagt die Lübeckerin Marie Dorette Caroline Schorer, die sich in Paris Maria Slavona nennt. Sie kann sich nennen wie sie will. Wenn man solche Bilder malen kann, dann ist man ganz oben. Wer nicht nach Paris geht, und das sind viele Malweiber, begnügt sich mit den überall entstehenden kleinen Künstlerkolonien: →Fischerhude, Nidden, →Dachau (als der Ort noch einen guten Namen hatte) oder →Hiddensee.
Doch die Malweiblein haben sich ihren Platz in der Gesellschaft erobert. Der Anteil der hauptberuflich tätigen Künstlerinnen steigt von 1895 bis 1925 von zehn auf zwanzig Prozent. Inzwischen gibt es Bücher wie →Die Malweiber: Unerschrockene Künstlerinnen um 1900 und Ausstellungen wie →Die Malweiber von Paris.
Für manche endet die künstlerische Karriere mit der Ehe. Da ist das Leben der Matisse Schülerin Mathilde Vollmoeller, die den Maler Hans Purrmann heiratet, ähnlich wie das Leben von Marie Krøyer. Beide verkümmern als Malerin im Schatten ihres Mannes. Und die Kunstgeschichte hat beinahe hundert Jahre gebraucht, um sie neu zu entdecken. In dem Post Malerinnen habe ich geschrieben: Dieser Blog hat immer wieder Malerinnen vorgestellt, von denen manche nicht so bekannt waren. Das ist ja auch so eine geheime Maxime dieses Blogs, dass hier Dinge stehen, die woanders nicht stehen.
Viele der deutschen Malerinnen haben in den 1930er Jahren ein schweres Schicksal. Wie Lotte B. Prechner, die Deutschland verlassen muss. Oder →Dora Bromberger (von der dieses Bild stammt), die 1942 in dem Vernichtungslager Maly Trostinez bei Minsk zusammen mit ihrer Schwester →Henny ermordet wird. Ihre Freundin, die Malerin Elisabeth Noltenius, schreibt 1944 in ihr →Tagebuch: Beim langsamen Zurückgehen unserer Truppen in Richtung Minsk gehen die Gedanken schwer zu den jüdischen Bremer Menschen, die in den nie zu vergessenden Novembertagen ausgewiesen wurden ins Ghetto nach Minsk. Wo sind heute die lieben Brombergers, die wir nicht vor dem grausigen Schicksal bewahren konnten, aus ihrem kleinen Haus ausgetrieben zu werden, trotz Besuch bei der Gestapo. Wie herzzerreißend diese wahrhaft große Haltung! Kein Wort der Anklage. Diese Rasse ist im Tragen und Dulden uns weit überlegen!
→Elisabeth Noltenius hatte sich für Dora Bromberger starkgemacht und Bilder von ihr bei Ausstellungen in ihrem eigenen Haus gezeigt. Sie war bei der →Gestapo vorstellig geworden, als sie hörte, dass Dora deportiert werden sollte. Sie konnte nur froh sein, dass die Gestapo ihr Haus nicht durchsuchte und ihr Tagebuch fand. Die Bremerin Dora Bromberger hatte in München und Paris studiert und war in den 1920er Jahren in Bremen recht berühmt. Nach 1933 kamen →Berufs- und Ausstellungsverbot. Dieses wunderbare Bild mit dem Titel Vorfrühling habe ich einmal in einer Ausstellung gesehen, die →Bremer Malerinnen gewidmet war. Ich war hin und weg von dem Bild, aber ich wusste nichts von der Malerin.
Inzwischen besitze ich das Buch Die Brombergers: Schicksal einer Künstlerfamilie von Rolf Rübsam, das 1992 im Bremer Donat Verlag erschienen ist. Der Autor, der Lehrer an meinem Gymnasium war, hat für seine Verdienste zu Recht das →Bundesverdienstkreuz bekommen. Bremer Malerinnen gab es in diesem Blog schon mit Anna Feldhusen, Aline von Kapff und Elisabeth Steinecke. Ich glaube ich mache damit irgendwann mal weiter.
Und noch mehr Malerinnen, berühmte und nicht so berühmte, finden Sie hier: beinahe vergessen, Marie Krøyer, Anna Feldhusen. die Malerin aus Lüdenscheid, Berthe Morisot, Tante Aline, Glasfenster, Alice Neel, Marie Ellenrieder, Kindermädchen, Anna Ancher, Frauenpower, Anna Waser, die Beecheys, Rosa Bonheur, als Weib wirklich ungeheures Talent, Nordlichter, Amanda Lear, Lichtgebet, Simple Pleasures, Gerta Overbeck, Vanessa Bell, Teckel & Corgwn, Lilla Cabot Perry, Sonia Delaunay, Anita Albus, Eternal Spring, Jo Hopper (und Eddie)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen