Sonntag, 1. Juni 2025

beinahe vergessen

Mit diesem 1929 gemalten Bild, das Die Jazzsängerin heißt, sind wir im Jazz Age, den Roaring Twenties. Wir können das Bild auch unter dem Thema der Neuen Sachlichkeit rubrizieren; einem Begriff, den der Bremer Kunsthistoriker Gustav Friedrich Hartlaub mit seiner Mannheimer Ausstellung Neue Sachlichkeit: Deutsche Malerei seit dem Expressionismus geprägt hat. Ulrike Groos, die Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, hat zu dem Bild gesagt: Es stammt von Lotte B. Prechner, einer Jüdin, die von den Nazis als entartet eingestuft wurde. Das Bild war verpönt, weil es das Saxophon in den Vordergrund stellt, das auch deshalb als öbszön eingestuft wurde, weil es eine phallischen Form hat. Die Aufbruchstimmung der Weimarer Republik hielt Prechner 1929 in ihrem Gemälde ›Jazztänzerin‹ fest. Sie stellt den modernen, emanzipierten Frauentypus der 1920er Jahre dar, der, androgyn gekleidet mit Hut und langer Hose, an Marlene Dietrich er­innert und selbstbewusst zu Jazzmusik tanzt.

Die Malerin und Bildhauerin Lotte Bertha Prechner hatte ihre große Zeit in den zwanziger Jahren, sie war in vielen Ausstellungen vertreten. Vier Jahre nach dem Bild der Jazzsängerin hatte sie Berufsverbot, weil sie von einer jüdischen Mutter abstammte. Ihre Bilder, die in Kunsthallen hingen, wurden als entartete Kunst entfernt. Sie wandert mit ihrem Mann nach Brüssel aus. Sie wird nie mehr nach Deutschland zurückkehren, lebt in Brüssel und bei ihrer Tochter in Italien. Sie wird neunzig Jahre alt werden und bis ins hohe Alter künstlerisch tätig sein. 

Ihre Tochter wird dafür sorgen, dass die inzwischen vergessene Malerin nicht vergessen bleibt, sie vermacht den Nachlass dem LVR-Landesmuseum Bonn. Dieses Bild, das den Titel Epoche hat, hatte Prechner 1928 auf der Jahresausstellung des Jungen Rheinland gezeigt, in dem Künstlerbund war sie Mitglied gewesen. Kunsthistoriker bezeichnen es heute als ihr Hauptwerk. 1998 erschien das Buch Lotte B. Prechner 1877–1967. Monographie und Werkverzeichnis, und in vielen neueren Ausstellungen über die Kunst der Weimarer Republik, wie zum Beispiel 2019 bei 'Zu schön, um wahr zu sein' – Das Junge Rheinland, war sie mit Bildern vertreten.

Meistens mit der Jazztänzerin oder dem Bild Epoche, das heute der Friedrich Ebert Stiftung gehört. Weil diese Bilder so plakativ sind, auch noch nach hundert Jahren. Ihre ganzen sozialkritischen Bilder, die sie nach dem Ersten Weltkrieg malte (in dem sie eine der wenigen zugelassenen weiblichen Kriegsmalerinnen war) kann man nicht so plakativ präsentieren. .Ich habe mir gedacht, dass Lotte Prechner (hier 1924 von ihrem Freund Otto Dix portraitiert) an ihrem Geburtstag einen kleinen Post bekommen sollte. Zu dem Bild der Jazzsängerin gibt es hier eine Seite. Aber viel wichtiger ist die von Dr Annette Bußmann verfasste Seite bei FemBio. Die kann man nur zur Lektüre empfehlen.  

 

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