Das Photo oben, das im Besitz der Overbeck Stiftung ist, könnte eine Frau in einer Kirche zeigen, die eine Bibel oder ein Gesangbuch hält. Aber sie hält einen Skizzenblock. Das wird sie sich bei der Photographie ausbedungen haben, Maler werden gerne mit dem gemalt oder photographiert, was auf ihr Handwerk hindeutet. Es war eine kleine Frechheit von ➱Gilbert Stuart, seinen berühmten Malerkollegen ➱Sir Joshua Reynolds nicht mit Pinsel und Palette, sondern mit seiner goldenen Schnupftabakdose zu malen. Auch wenn Anna Feldhusens Familie ihren Berufswunsch nicht billigt, es führt zu keinem Bruch mit den Eltern. Sie wird lange in deren Haus in der Ellhornstraße 15a wohnen bleiben.
Ex Libris Anna Feldhusen steht hier unter einer Landschaft, die uns ➱Worpswede sagt. Aber da steht auch noch Allein, ich will, und das ist ein Programm für das Leben. Alles, was man über sie sagen kann, ist symbolisch hier dargestellt. Das Ex Libris ist eine Radierung, und die Druckgraphik wird den größten Teil ihres Werkes ausmachen. Sie war nicht nur in Worpswede, sie wirkte auch in der Künstlerkolonie ➱Dachau, zu der sie in den Wintermonaten gerne zurückkehrte. Ihre Münchener Wohnung hat sie, wie ihr Bremer Atelier, immer behalten. In den Sommermonaten war sie in der Künstlerkolonie Dötlingen zu finden. In München hatte sie drei Jahre bei Lina Kempter, Max Dasio und Oskar Graf an der gerade gegründeten Damenakademie des Künstlerinnenvereins studiert, bevor sie Schülerin von Hans am Ende in Worpswede wurde.
Obgleich dieses Selbstportrait aus dem Jahre 1899 eine gewisse Meisterschaft verrät, erkannte Anna Feldhusen, dass ihre Stärke in Radierung und Aquatinta liegen würde. Das Selbstportrait ist ein Bild, das eine starke Frau zeigt: Allein, ich will. Wir sind in der Zeit, wo in der Literatur starke Frauen auftauchen. Wie die New Woman bei George Bernard Shaw, oder schon viel früher die Sara Videbeck in ➱Carl Jonas Love Almqvists Roman Die Woche mit Sara. In einem Bild Stärke und Überlegenheit zu demonstrieren, ist ein symbolischer Akt. Doch für das Selbstverständnis der Malweiber, wie die ➱Künstlerinnen despektierlich genannt werden, braucht es etwas mehr. Zum Beispiel den Zusammenhalt der Künstlerinnen in Netzwerken, und es braucht eine eine ökonomische Basis.
Anna Feldhusen trat 1902 dem Bremer Malerinnenverein bei, 1922 dem Bremer Künstlerbund und 1929 der GEDOK. Und sie macht etwas ganz erstaunliches: sie beantragt einen Gewerbeschein als Kunstmalerin. Den sie auch erhält. Und sie signiert ihre Bilder mit Bremische Malerin und Graphikerin. Sie wird Kalender, Zeitschriften und Lesebücher illustrieren. Viele Schulbücher enthalten ihre Worpsweder Landschaften, Birken und ➱Moor und ihre Bremer Stadtansichten. Und auch im Bremer Gesangbuch von 1917 (in dem auch Zeichnungen von ➱Vogeler sind) sind ihre Zeichnungen zu finden.
Sie zählt nicht zu den großen Namen der Worpsweder Malerinnen, in vielen Büchern über Worpswede wird ihr Name nicht genannt. Da wird immer Paula Becker-Modersohn genannt, manchmal auch ➱Hermine Overbeck. Man hat sie sehr spät wiederentdeckt. 1992 taucht sie in einer Ausstellung auf, die Hermine Overbeck-Rohte und den Bremer Malerinnen um 1900 gewidmet ist. Das war eine Ausstellung in der ➱Kito in Vegesack. 2003 findet sie sich in einer kleinen Ausstellung, die Bremer "Malweiber" um 1900: zwischen Tradition und Moderne heißt. Vielleicht gibt es ja noch einmal, in Dötlingen oder Worpswede, eine richtige Ausstellung für sie.
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