Einige Leser haben mich gefragt, warum hier am 22. Oktober nichts zum achtzigsten Geburtstag von ✺Catherine Deneuve stand. Kein Joyeux anniversaire! oder so etwas. Wenn ich ehrlich sein soll: ich hatte das vergessen. Habe dann aber durch die Filme ✺Madame empfiiehlt sich (Originaltitel: Elle s'en va) und ✺Leben im Schloss (La Vie de Chateau) gemerkt, dass da viel Deneuve bei arte war. Ich fand das sehr schön, dass arte La Vie de Chateau zeigte, weil ich den Film liebe. Und auswendig kenne. Und das französische Drehbuch besitze. Ich war genau zwei Jahre im Netz, da gab es hier schon den Post La Vie de Chateau.
Ich fand es auch sehr schön, dass arte mit dem Road Movie Madame empfiiehlt sich eine ganz andere Catherine Deneuve zeigte. In dem Film war sie siebzig, konnte aber noch für sechzig durchgehen. Sie ist ein wenig pulpeuse geworden, aber das steht ihr. In La Vie de Chateau war sie dreiundzwanzig. War ich damals auch. Damals hatte sie beschlossen, für den Rest des Lebens blond sein zu wollen. In Wirklichkeit war sie brünett. Ich habe Jean-Paul Rappeneaus La Vie de Chateau zweimal im Kino gesehen (und habe ihn heute auf DVD), nicht wegen der jungen blonden Frau, sondern wegen der aberwitzigen Inszenierung und Choreographie der Bewegung. Damals gab es noch Filme, die zu recht in Filmkunsttheatern gezeigt wurden. Weil die Filmkunst waren. Heute ist alles Netflix.
Ich habe das mit dem achtzigsten Geburtstag vergessen, weil Catherine Deneuve nicht meine Lieblingsschauspielerin ist.Vor zehn Jahren gab es hier in dem Post Catherine Deneuve Glückwünsche zum Geburtstag. Der Post endete mit den Sätzen: Das Geburtstagskind wird in diesem Blog bisher nicht genügend gewürdigt. Irgendwann mache ich das mal wieder gut. Bis dahin könnten Sie hier natürlich Waltz into Darkness lesen. Und natürlich Joyeux anniversaire! Die forderten einen Leser berechtigterweise zu einem Kommentar auf: Wir hatten das doch schon: IRGENDWANN & DEMNÄCHST... ;) Was ich mit: Irgendwann kommentierte. Ich mache zu viele Versprechungen. Es ist immer dasselbe.
Sie ist so schön, dass ein Film, in dem sie spielt, auch ohne Geschichte auskommt, hat François Truffaut gesagt. Und deshalb reißt die Deneuve in dem Truffaut Film ✺Waltz into Darkness, den Jeanne Moreau finanziert hatte, alles 'raus, die Schwächen und Unglaubwürdigkeiten der Handlung. Der Film hatte vor zwölf Jahren hier schon den ganz langen Post Waltz into Darkness. In dem viel über Catherine Deneuve steht. Und auch viel über französische Mode. Mit der war sie ja immer verbunden; sie war Werbeträgerin für Chanel, produzierte ein ✺Werbevideo für Chanel 5 nach dem anderen. Sie trug die Mode von Yves Saint Laurent (mit dem sie befreundet war) und warb für ✺L'Oréal. 1986 brachte sie ihr eigenes Parfüm auf den Markt. In den letzten Jahren war sie auf allen Modeschauen der Pariser Firma zu sehen.
Am Ende des Posts über die Verfilmung des Romans von Cornell Woolrich steht: Als Truffaut an seinen Cornell Woolrich Verfilmungen arbeitet, hat er seine Hitchcock Phase. Denn gleichzeitig mit den Filmen entsteht sein großartiges Interview-Buch 'Le cinéma selon Hitchcock' (Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?). Dort sagt er einmal: it might be said that the texture of your films is made up of three elements: fear, sex and death, und das beschreibt eigentlich auch sehr schön die Textur seiner eigenen Filme in dieser Zeit. Truffauts Hitchcock Verehrung geht so weit, dass er für diesen Film unbedingt diese kühle Blonde braucht, ohne die ein Hitchcock Film nicht funktioniert.
Diese 'icy sexuality', dieses 'paradox between the inner fire and the cool surface'. Und wer könnte das besser spielen als Catherine Deneuve, die so kalt ist wie der Schnee in der letzten Szene des Filmes? Mit oder ohne weiße Unterwäsche. Der Tod beschäftigte Truffaut immer, zwei Jahre nach den Dreharbeiten schreibt er in einem Brief: Il y a beaucoup, beaucoup trop de morts autour de moi, que j'ai aimés, et j'ai pris la décision, après la disparition de Françoise Dorléac, de ne plus assister à aucun enterrement, ce qui, vous le pensez bien, n' empêche pas la tristesse d'être là, de tout obscurcir pendant un temps et de ne jamais estomper complètement, même avec les années, car on ne vit pas seulement avec les vivants, mais aussi avec tous ceux qui ont compté dans notre vie. Die Françoise Dorleac, die er hier erwähnt, ist Deneuves Schwester gewesen, die so schrecklich ums Leben kam.
Die hatte es noch erlebt, dass Catherine mit dem Film ✺Belle de Jour weltberühmt wurde. Das ist der Film, in dem die kühle Arztgattin, die eine Kopie von Hitchcocks Tippi Hedren ist, in einem Bordell arbeitet. Nackt in einem Sarg liegt und von Michel Piccoli mit schmutzigem schwarzen Schlamm beworfen wird. Ich fand das immer die beste Szene des Films. Ich mochte den Film nie. Truffaut drehte bessere Filme, die Deneuve in Waltz into Darkness ist lebendiger als die Denueve in ✺Belle de Jour. Truffaut, der mit der Deneuve (wie mit beinahe all seinen Hauptdarstellerinnen) bei den Dreharbeiten eine Affäre hatte, hat einmal angedeutet, dass die Deneuve nur durch ihre Schönheit wirkt, nicht durch ihre schauspielerischen Qualitäten. Aber mit dem ✺Schlamm im Gesicht war sie sehr überzeugend.
Zehn Jahre nach ihrer Affäre sind sie bei den Dreharbeiten von Die letzte Metro (✺Le Dernier Métro) wieder zusammen, es wird Deneuves berühmtester Film werden. Ein Kassenschlager in Frankreich, zehn von dreizehn möglichen Césars, eine Oscar Nominierung. Für Truffaut war der Film der zweite Teil einer Trilogie über Film, Theater und Musik. Der erste Teil war Die amerikanische Nacht (La Nuit américaine) mit Jacqueline Bisset gewesen. Zu dem dritten Teil L’Agence Magic über eine Pariser Musikertruppe, die es nach Afrika verschlagen hatte, ist Truffaut nicht mehr gekommen. Seinen Drehbuchautoren hatte er geschrieben Je compte sur vous deux pour m’aider à faire un beau film: petits personnages, grands sentiments et surtout des caractères qui vont jusqu’au bout d’eux-mêmes.
Catherine Deneuve hatte sich in jungen Jahren für den Playboy ausgezogen, Thomas Gottschalk hält hier in einer Wetten dass Sendung das Heft in der Hand. Sie hat mit der Sexualität gespielt, in dem Film ✺Begierde ist sie eine lesbische Vampirin. Susan Sarandon hat 1995 in einem Interview zu dem Film gesagt: Man muss nicht betrunken sein, um mit Catherine Deneuve schlafen zu wollen – egal, welche sexuelle Orientierung man vorher hatte.
Von allen Posts, in denen die Deneuve in diesem Blog erwähnt wird (und das sind viele) hat The Vampyre die meisten Leser gefunden. Lesbische Vampire, wahnsinnige Mörderinnen (in Polanskis Ekel) und Freizeitnutten, so etwas kommt immer an. Sie ist im Alter viel besser, wenn sie Odette Swann in der Verfilmung von Prousts ✺Le Temps retrouvé spielt. Oder wenn sie Freuds Prinzessin ist.
Sie hat in mehr als hundert Filmen gespielt, es waren nicht alles gute Filme. An viele wird man sich nicht erinnern. Manchmal genügte es, dass sie da war. Wie in Un Flic von Jean-Pierre Melville, der über seinen Film sagte: Dans 'Un flic', il y a une femme qui dit en tout et pour tout: 'Ca va?'. Et une heure et demie plus tard décroche un téléphone et dit: 'Oui'. Et c'est Catherine Deneuve qui a accepté de la faire. Elle a compris qu'étant la seule femme du film tout à coup sa présence devient importante.
Ein Leben auf der Leinwand, so heißt auch die ✺Dokumentation von arte. Ich habe nicht all ihre Filme gesehen, weil ich die blonde kühle Frau nicht so recht mochte. Ich fand ihre Schwester Françoise Dorleac (die hier in dem Post Jean Desailly vorkommt) witziger. Die sprühte vor Leben, hatte nicht vor, reserviert und cool zu sein. Wie alle Menschen, die zurückhaltend sind, fällt es mir schwer, mich zu öffnen. Auch wenn das im Gegensatz zu meinem Beruf steht. Ich gehe nur selten aus mir raus. Viele glauben deshalb, ich sei kühl. Das kann sein. Ich bin eben zurückhaltend, vor allem bei Menschen, die ich nicht kenne, hat Deneuve gesagt. Es ist auch ein Teil von ihrem Image, von ihrem Mythos, an dem sie hart gearbeitet hat.
Jean-Paul Rappeneau, der die Drehbücher für Zazie dans le métro, Privatleben (mit Brigitte Bardot) und Abenteuer in Rio (mit Françoise Dorleac) schrieb, war durch den Erfolg von La Vie de Chateau verführt, die Deneuve noch einmal in einer Komödie einzusetzten. Die hieß 1975 Die schönen Wilden (✺Le sauvage), man hatte der Deneuve Yves Montand an die Seite gestellt. Sie durfte in dem Film ein klein wenig nackt sein, aber ein wirklich guter Film war das nicht. Ging bei der Verleihung von Preisen auch leer aus. Truffaut hatte schon recht mit der Vermutung, dass die Deneuve mehr durch ihre Schönheit wirkt, als durch ihre schauspielerischen Qualitäten.
Die Dokumentation Deneuve, la reine Catherine vom letzten Jahr sagte in ihrem Ankündigungstext: On la dit froide, secrète et mystérieuse. Elle a la réputation de ne rien laisser percer de ses pensées intimes, de sa vie privée, de ses joies comme de ses tourments. Elle est parvenue à protéger sa famille, ses amours, ses choix de la curiosité des magazines et de son public. Da ist es wieder froide, secrète et mystérieuse. Irgendwie ist das zu häufig strapaziert worden. Meine herzlichen Glückwünsche kommen etwas spät, aber das Joyeux anniversaire! ist nichtsdestoweniger herzlich. Und wenn ich vor zehn Jahren schrieb: Das Geburtstagskind wird in diesem Blog bisher nicht genügend gewürdigt. Irgendwann mache ich das mal wieder gut, dann habe ich das jetzt hingekriegt.
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