Donnerstag, 24. Dezember 2020

Anna Feldhusen

Anna Feldhusen wurde heute (17.11.2011) vor 150 Jahren in Bremen geboren, man weiß leider nicht so viel über ihre Jugend. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie (ihr Vater J.P. Feldhusen war Börsenmakler). Ihre Familie war sehr dagegen, dass die Tochter Malerin wurde. Aber die Tochter war von diesem Wunsch nicht abzubringen. Das ist anders als bei Friedrich Ahlers-Hestermann, der kam aus einer feinen Hamburger Kaufmannsfamilie, aber seine Familie ließ ihn letztendlich Kunst studieren, auch wenn man ihn gerne als Hamburger Kaufmann gesehen sähe. Anna Feldhusen sieht auf diesem Photo sehr vornehm aus.

Das Photo oben, das im Besitz der Overbeck Stiftung ist, könnte eine Frau in einer Kirche zeigen, die eine Bibel oder ein Gesangbuch hält. Aber sie hält einen Skizzenblock. Das wird sie sich bei der Photographie ausbedungen haben, Maler werden gerne mit dem gemalt oder photographiert, was auf ihr Handwerk hindeutet. Es war eine kleine Frechheit von Gilbert Stuart, seinen berühmten Malerkollegen Sir Joshua Reynolds nicht mit Pinsel und Palette, sondern mit seiner goldenen Schnupftabakdose zu malen. Auch wenn Anna Feldhusens Familie ihren Berufswunsch nicht billigt, es führt zu keinem Bruch mit den Eltern. Sie wird lange in deren Haus in der Ellhornstraße 15a wohnen bleiben.

Ex Libris Anna Feldhusen steht hier unter einer Landschaft, die uns Worpswede sagt. Aber da steht auch noch Allein, ich will, und das ist ein Programm für das Leben. Alles, was man über sie sagen kann, ist symbolisch hier dargestellt. Das Ex Libris ist eine Radierung, und die Druckgraphik wird den größten Teil ihres Werkes ausmachen. Sie war nicht nur in Worpswede, sie wirkte auch in der Künstlerkolonie Dachau, zu der sie in den Wintermonaten gerne zurückkehrte. Ihre Münchener Wohnung hat sie, wie ihr Bremer Atelier, immer behalten. In den Sommermonaten war sie in der Künstlerkolonie Dötlingen zu finden. In München hatte sie drei Jahre bei Lina Kempter, Max Dasio und Oskar Graf an der gerade gegründeten Damenakademie des Künstlerinnenvereins studiert, bevor sie Schülerin von Hans am Ende in Worpswede wurde.

Obgleich dieses Selbstportrait aus dem Jahre 1899 eine gewisse Meisterschaft verrät, erkannte Anna Feldhusen, dass ihre Stärke in Radierung und Aquatinta liegen würde. Das Selbstportrait ist ein Bild, das eine starke Frau zeigt: Allein, ich will. Wir sind in der Zeit, wo in der Literatur starke Frauen auftauchen. Wie die New Woman bei George Bernard Shaw, oder schon viel früher die Sara Videbeck in Carl Jonas Love Almqvists Roman Die Woche mit Sara. In einem Bild Stärke und Überlegenheit zu demonstrieren, ist ein symbolischer Akt. Doch für das Selbstverständnis der Malweiber, wie die Künstlerinnen despektierlich genannt werden, braucht es etwas mehr. Zum Beispiel den Zusammenhalt der Künstlerinnen in Netzwerken, und es braucht eine eine ökonomische Basis.

Anna Feldhusen trat 1902 dem Bremer Malerinnenverein bei, 1922 dem Bremer Künstlerbund und 1929 der GEDOK. Und sie macht etwas ganz erstaunliches: sie beantragt einen Gewerbeschein als Kunstmalerin. Den sie auch erhält. Und sie signiert ihre Bilder mit Bremische Malerin und Graphikerin. Sie wird Kalender, Zeitschriften und Lesebücher illustrieren. Viele Schulbücher enthalten ihre Worpsweder Landschaften, Birken und Moor und ihre Bremer Stadtansichten. Und auch im Bremer Gesangbuch von 1917 (in dem auch Zeichnungen von Vogeler sind) sind ihre Zeichnungen zu finden.

Sie zählt nicht zu den großen Namen der Worpsweder Malerinnen, in vielen Büchern über Worpswede wird ihr Name nicht genannt. Da wird immer Paula Becker-Modersohn genannt, manchmal auch ➱Hermine Overbeck. Man hat sie sehr spät wiederentdeckt. 1992 taucht sie in einer Ausstellung auf, die Hermine Overbeck-Rohte und den Bremer Malerinnen um 1900 gewidmet ist. Das war eine Ausstellung in der ➱Kito in Vegesack. 2003 findet sie sich in einer kleinen Ausstellung, die Bremer "Malweiber" um 1900: zwischen Tradition und Moderne heißt. Vielleicht gibt es ja noch einmal, in Dötlingen oder Worpswede, eine richtige Ausstellung für sie.





Mittwoch, 23. Dezember 2020

Mademoiselle chante le blues


Wenn Ihnen der Titel nichts sagt, dann müssen Sie mal eben dies hier anklicken. Das ist natürlich Patricia Kaas, die da singt. Sie hat heute Geburtstag. Da möchte ich doch ganz herzlich gratulieren. Seit Jahren will ich einen Post zu Patricia Kaas schreiben, bin aber irgendwie nie dazu gekommen. Dabei hatte ich mir schon die CDs herausgelegt. Jetzt weiß ich nicht mehr, wo die sind. Wenn ich mal einen langen Patricia Kaas Post schreibe, dann finde ich die wieder. Heute wird das nur ein kleiner Geburtstagsgruß. Wir hören mal eben in ihr ➱If You Go Away hinein. Was natürlich nichts anderes als ➱Jacques Brels Ne me quitte pas ist.

Patricia Kaas ist mit ➱Et s'il fallait le faire beim Grand Prix d'Eurovision aufgetreten, aber das hätte sie lieber lassen sollen. Es gab immerhin einen achten Platz. Ihre erste Platte ➱Jalouse war ein Flop, heute ist sie ein Star. Nicht nur in Saarbrücken, wo sie als Teenie in jedem Club sang. Sie ist kein Star wie Taylor Swift, kein Star, der aus der Retorte kommt. Und sie ist auch nicht wie Taylor Swift eine Göttin der Rechtsradikalen, ➱Camille Paglia hat die ein widerliches Nazi-Barbie genannt. Gérard Depardieu hat Patricia Kaas entdeckt, mit ➱Alain Delon telephoniert sie gerne. Der Film war immer nahe, sie hat das Titellied zu ➱Les Misérables gesungen, und ➱Bertrand Tavernier gebrauchte ihr Lied ➱Il me dit que je suis belle für einen seiner Filme.

Es hat bis zum Jahre 2001 gedauert, bis ➱Claude Lelouch sie überredete, einmal als Schauspielerin in einem richtigen Kinofilm mitzuspielen. Wenige Jahre zuvor hatte er dem Industriellen Bernard Tapie die Hauptrolle in dem Film ➱Männer und Frauen, eine Gebrauchsanleitung (ein Film, den ich schon in den Posts ➱Claude Lelouch, ➱Michel Piccoli und ➱Maja Maranow erwähnt habe) gegeben. Das Experiment ging auf, das Experiment mit Patricia Kaas auch. Sie können Sie ➱hier hören und sehen. Und Dieter Wunderlich weiß auf seiner Seite noch mehr über ➱And Now ... Ladies & Gentlemen.

Sie ist Französin, aber sie ist auch ein bisschen ➱deutsch, weil ihr Mutter eine Deutsche ist: Meine Mutter war Deutsche, mein Vater Franzose. Ich bin also halb und halb. Ich scherze immer und sage: Ich habe die besseren Hälften von beiden. Ich wurde auch zu einem deutschen Charakter erzogen. Ich sage nur: Disziplin. Ich bin gerne in Deutschland, liebe das deutsche Essen, wie es meine Mutter gekocht hat. Wenn ich in Deutschland bin, gehe ich auch nie in Haute-Cuisine-Restaurants. Da will ich immer Hausmannskost: Kartoffelsalat, Knödel und Rotkraut. Das ist für mich ein Stück Heimat. Das ist wie Weihnachten. Das hat in meiner Kindheit auch immer anders gerochen als heute. Die Franzosen wussten stets, wo ich herkomme, aus einem Winkel zwischen zwei Ländern, wo eben jeder zwei Gesichter hat. 

Französisch hat sie erst in der Schule gelernt, jetzt kann sie es, wie ➱La langue que je parle zeigt. Ich vermute, dass die Patricia Kaas CDs irgendwo in dem CD Turm stecken, wo all die ➱Jazz Singers sind. Ich habe nicht wirklich gesucht. Weil ich eine alte TDK Cassette habe, sozusagen Best Of, ein Geschenk einer Studentin, das ich in meinem ➱Postfach in der Uni fand. Habe ich in meiner Schreibtischschublade, die finde ich immer.


Sommerurlaub

Frankreich, jedes Jahr dasselbe, er musste nach Lyon. Dort saß sein wichtigster Geschäftspartner. Er hasste diese Reisen, er konnte kein Französisch. Früher war seine Frau manchmal mitgefahren, die konnte etwas Französisch, aber von der war jetzt geschieden. Er überlegte sich, ob er die schöne Buchhändlerin von gegenüber überreden könnte, ihn nach Frankreich zu begleiten. Die hatte einen alten roten R4 mit dem Sticker eines französischen Campingplatzes auf der Heckscheibe. Die konnte bestimmt Französisch. Sie konnte nicht nur Französisch, sie hatte mal drei Semester Romanistik studiert. Dann aber gemerkt, dass man auch Altfranzösisch belegen und eine Klausur bestehen musste, da hatte sie das Studium aufgegeben. Das Studentenleben hatte ihr sowieso nicht gefallen. Sie zog sich gerne hübsch an, das tat an der Uni niemand mehr.


Er dachte das ganze Wochenende darüber nach, wie er ihr die Sache mit Lyon schmackhaft machen konnte, übte dann auch das, was er sagen wollte. Dann fing er sie am Montag ab, als sie gerade die Tür der Buchhandlung aufschloss. Er hätte da einen Vorschlag zu machen, wegen einer Reise nach Lyon. Je vous écoute, sagte sie. Er werde natürlich alle Kosten tragen. Und wenn sie in Lyon mit dem Geschäftlichen fertig wären, dann könnten sie sich den Rest von Frankreich anschauen. Hoffentlich nahm sie das nicht zu wörtlich. Die Fahrt nach Lyon konnte er von der Steuer absetzen, das wusste er schon. Er fuhr auch einen R4, aber ein neueres Modell. Grasgrün, mit dem Namen seiner Firma auf der großen Heckklappe. Ein Radio hatte der Wagen nicht, aber er hatte eine Halterung unter das Armaturenbrett geschraubt, da konnte man ein Kofferradio hineinschieben. Er packte das große gelbe Zelt in den Wagen. Das hatte er vor Jahren gekauft, als er einen Campingurlaub mit seiner Frau machte. Der Urlaub war eine Katastrophe, genauer gesagt, war er der Anfang vom Ende.

Die schöne Buchhändlerin dachte über seinen ungewöhnlichen Vorschlag nach. Warum eigentlich nicht nach Frankreich? Ihr Reisepass war noch gültig, und sie hatte noch Resturlaub vom letzten Jahr zu bekommen. Der Buchhändler hätte sicher nichts dagegen, der war gerade damit beschäftigt, die blonde Volontärin einzuarbeiten. In der Woche, in der sie in Frankreich war, würde er ihr wohl beibringen, wie man den Libri Katalog benutzt. Und wie zufällig dabei ihren Körper berühren. In Lyon war sie schon einmal gewesen, damals nach dem Abitur als Au Pair. Sie hatte keine guten Erinnerungen an diese Zeit. Das hatte auch mit ungewollten körperlichen Berührungen zu tun. Sie dachte die Woche über den Plan nach, hörte auch viele französische Chansons. Juliette Gréco oder Barbaras Lied À Göttingen, à Göttingen. Sie hatte die Schallplatten gekauft, als sie noch an der Uni war. Jeder hörte die damals. Am Ende der Woche entschied sie sich für das Abenteuer. Und am Montagmorgen war sie in seinem Büro und sagte: Oui Monsieur, allons en France.

Sie verabredeten sich auf den nächsten Sonntag. Sie war pünktlich. Warf ihre Reisetasche auf den Rücksitz, sagte Bon Jour, Monsieur und ließ sich ins Auto gleiten. Er hatte den Zündschlüssel noch nicht im Schloss, da hatte sie schon ihre erste Zigarette im Mund. Er wollte sagen, dass in diesem Auto nicht geraucht würde, aber das hatte jetzt wohl keinen Sinn mehr. Sie hatte schon den Aschenbecher aus dem Armaturenbrett gefingert. Ihre Schachtel Ziggis würde für Deutschland reichen, in Frankreich würde sie sich Gauloises oder Gitanes kaufen. Als sie nach Luxemburg kamen, mussten sie ihre Pässe vorzeigen. Der Zollbeamte bat sie, ihre schwarze Sonnenbrille abzusetzen, während er ihren Pass in der Hand hielt. Und fügte ein Madame hinzu. Er hätte ja auch Mademoiselle sagen können, dachte sie sich, wahrscheinlich hielt er sie für die Ehefrau. Solange sie noch in Deutschland waren, hatte das Radio gut funktioniert. In Frankreich wurde es schwächer und schwächer. Sie hätte jetzt gerne wieder französische Chansons gehört. Sie sang gerne, zu Hause unter der Dusche oder in ihrem R4, aber mit ihm hier am Steuer würde das wohl nichts.

In Lyon lief alles wie gewünscht, der französische Geschäftsfreund war von ihr begeistert. Die geschäftlichen Verhandlungen waren dank ihrer Französischkenntnisse schnell zu Ende, der Geschäftsfreund lud die beiden zum Abendessen ein. Sie zog sich noch um und ließ einen Blusenknopf mehr offen, damit der Franzose, der sie schon tagsüber mit den Augen ausgezogen hatte, noch etwas zu sehen bekam. Sie hatte überlegt, ob sie den BH weglassen sollte, aber man sollte die Franzosen nicht zu sehr verwöhnen. Sie wäre nach dem Essen noch gerne zum Tanzen gegangen, aus einer Nebenstraße klang Musik von einem Tanzvergnügen zu ihnen herüber, aber ihr Begleiter wollte nicht. Er konnte auch nicht tanzen.

In Lyon wollte sie nicht bleiben, sie wollte jetzt den Rest von Frankreich sehen, das hatte er versprochen. Et maintenant, toute la France, sagte sie. Von da an duzten sie sich, nahmen in den kleinen Hotels jetzt auch kein Doppelzimmer mehr.  Es war ein wenig seltsam, wieder einen Mann neben sich im Bett zu haben. Manchmal schliefen sie miteinander. Er war rührend ungeschickt im Bett, aber sie machte diese Geräusche, die Männer gerne hören. Sie fuhren erst einmal ohne Ziel durch das heiße Frankreich, es waren noch keine Sommerferien, die Straßen waren noch nicht überfüllt. Sie wechselten sich beim Fahren ab, er ließ sie ans Steuer, weil sie auch einen R4 hatte und mit der Stockschaltung von Renault zurechtkam. Sie fuhr ruhiger als er, und sie konnte lesen, was auf französischen Ortsschildern und Verkehrszeichen stand.

Sie könnten die Rhône hinunterfahren bis nach Marseille, schlug er vor, Schlösser besichtigen und so etwas. Ich will ans Meer, sagte sie und summte Charles Trenets La Mer vor sich hin. Cannes oder Nizza? fragte er. Wir sind keine Snobs, sagte sie, wir fahren nach Cap d'Agde. Den Tip hatte sie von einer Freundin bekommen, da sollte ein schöner Strand sei. Es war ein Strand für Nudisten. Darüber würde sie mit ihrer Freundin noch mal ernsthaft reden müssen. Sie wäre gerne geblieben, aber er wollte das auf keinen Fall. Er wollte nicht, dass andere Männer sie nackt sähen. Sie hatte keine Scheu, sich nackt zu zeigen. Ich habe schönere Titten als Deine Frau, sagte sie. Er hätte jetzt ja sagen oder irgendein Kompliment machen sollen, aber er war wenig gewandt in diesen Dingen, ihm fehlte der beau discours zum parlez-moi d'amour.

Sie landeten schließlich in Hendaye, das war schon beinahe in Spanien. Der Strand gefiel ihr, der Campingplatz war auch nicht schlecht. Er holte das Zelt aus dem Auto und begann es aufzubauen. Dabei sollte man Männern nie helfen, dachte sie. Sie packte ihre Sachen für den Strand in ihr Handtuch. Während er noch die Luftmatratzen aufblies, war sie schon unterwegs zum Strand. Sie breitete ihr Handtuch aus und zog ihren Bikini an. Nur das Höschen, sie verzichtete auf das Oberteil. Die Französinnen ihres Alters hier am Strand trugen auch nur einen Slip. Die hübsche beurette dahinten war ganz nackt. Es gab wenig Mücken am Strand. Das war vor Jahren auf Moen in Dänemark anders gewesen. Schöner weißer Sand, aber nur Mücken. Unglaublich. Er war immer noch nicht am Strand angekommen. Sie überlegte sich, was schlimmer wäre, Männer oder Mücken.

Am vierten Tag kamen nachmittags Böen und dunkle Wolken von Spanien her. Sie brachten Regen mit sich, viel Regen. In der Nacht schliefen sie kaum, sie wussten nicht, ob das Zelt dem Sturm und den Wassermassen gewachsen war. Am nächsten Morgen reisten sie ab. Er meinte, dass man bei diesem Wetter jetzt schön Schlösser besichtigen könnte. Immer wieder die Sache mit den Schlössern, das ist doch typisch für Leute mit Mittlerer Reife, dachte sie. Sie sagte entschieden, dass die Schlösser gestrichen seien, es ginge jetzt vers l'Allemagne. Sie übernachteten jetzt wieder in kleinen Hotels, nahmen aber wieder chambres doubles. Das erste Hotel hatte glücklicherweise eine funktionierende Dusche. Die Duschen auf dem Campingplatz von Hendaye waren meistens defekt. Sie musste erst einmal das Salz von ihrer Haut kriegen. Sie betrachtete sich vor dem beschlagenen Spiegel. Wenn sie das Bikinihöschen weggelassen hätte, wäre sie jetzt am ganzen Körper gebräunt. Aber sie war mit sich zufrieden, wenn die ganz Woche in Frankreich auch zu nichts gut gewesen war, hatte sie doch eine schöne Sommerbräune. Nicht bronzebraun, aber zu Hause würden auch noch Sonnentage kommen.

Die Rückfahrt nach Deutschland war nicht schön. Das Wetter blieb nass und windig. Das feuchte Zelt hinten im Wagen begann, muffig zu riechen. So nah sie sich in dem Zelt gewesen waren, würden sie sich nie wieder sein. Sie entfremdeten sich immer mehr. Er hasste es, wenn sie überall den Ton angab. Das fing mit dem Essen an. In Hendaye hatten sie mittags gegessen, was die Imbissbude anbot, jetzt bestellte sie in den Restaurants und Hotels immer das Essen. Sie konnte die Speisekarte lesen, er nicht. Einmal bestellte sie eine Bouilabaisse für zwei in der Terrine, aber was angeblich ein provenzalisches Nationalgericht war, war für ihn nichts als eine eklige braune Fischsuppe. Sie trank immer Weißwein, er hätte gerne ein Bier gehabt. Was er bekam, war eine Flasche Kronenbourg. Das ist doch kein Bier, sagte er. Es war ihm klar, dass er auf sie hätte hören und den Wein hätte trinken sollen, der auf dem Tisch stand. Sie hatte ja immer recht, immer musste sie den Ton angeben. Schöne Frauen sind keine Garantie für ein schönes Zusammenleben, dachte er sich.

Am letzten Tag wollte er früh los, damit sie noch am Abend zuhause wären. Sie war noch nicht fertig, sie musste unbedingt in diesem Augenblick Ansichtskarten schreiben, die sollten noch hier in Frankreich zur Post. Ansichtskarten müssen sein, egal, wie der Urlaub war. Er fing an, sie zu hassen. Sie waren kaum im R4, da begannen sie an, sich zu streiten, sie gifteten sich an wie ein altes Ehepaar. Wie schnell so etwas geht, dachte sie. Die Männer blieben nie lange bei ihr: Avec le temps, va, tout s'en va on oublie le visage et l'on oublie la voix. Für den Rest der Fahrt schwiegen sie. Das Radio auch. Aber kurz vor der deutschen Grenze waren alle Sender wieder da. Und ohne dass sie einen Sender gesucht hatte, konnte sie plötzlich französische Chansons hören.

Das wäre schön gewesen, hätte das Radio die ganze Woche funktioniert, la vie en rose. Sie kannte nicht alle Interpreten, die von Paname, chagrin d'amour und solitude sangen, aber Juliette Gréco erkannte sie sofort, als die von den souvenirs et les regrets aussi sang. Souvenirs nein, regrets auf jeden Fall, dachte sie. Sie zündete sich gerade eine Gitane an, als Edith Piaf mit ihrer unverkennbaren Stimme, die nach Zigaretten und Alkohol klang, zu singen begann: Non, rien de rien, non, je ne regrette rien. Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus, zog vorsichtig das Radio aus der Halterung daneben, kurbelte die Seitenscheibe herunter und warf es aus dem Auto. Dieses je ne regrette rien, das war zuviel des Guten.

Sie zündete sich eine neue Gitane an.