Freitag, 30. August 2024

Die Prinzessin von Sansibar

Heute vor hundertachtzig Jahren wurde Salama bint Said, die man auch Sayyida Salme nannte, geboren. Sie war eine Prinzessin von Oman und Sansibar. Sie war schon 2010 in diesem Blog, aber weil Sie mich damals vielleicht noch nicht kannten, stelle ich den Post an ihrem Geburtstag heute noch einmal ein. Mit vielen Veränderungen, denn ich habe jetzt auch einen einstündigen Dokumentarfilm mit dem Titel Die Prinzessin von Sansibar für Sie. Ich kenne die Geschichte der Prinzessin schon lange, weil sie im Leben von Gerhard Rohlfs, dem Namensgeber meines Gymnasiums, eine Rolle spielte. Es war eine Erzählung, die man nicht vergisst, die Geschichte von der schönen Prinzessin aus Sansibar, die den Hamburger Kaufmann Johann Heinrich Ruete liebt und mit ihm nach Deutschland flieht. Weil sie von einem Christen schwanger ist, dafür wird man in ihrer Welt noch gesteinigt. Könnte in dieser Welt heute wieder geschehen. M.M. Kaye, die mit The Far Pavillions (Palast der Winde) berühmt wurde, hatte die Geschichte der Sultanstochter schon in den Roman Trade Wind (Insel im Sturm) eingearbeitet, sie schreit ja auch geradezu danach, als Kitschroman recycelt zu werden.

Sayyida Salme war dieTochter des Sultans von Oman und Sansibar. Sie ist einem Sultanspalast aufgewachsen und hatte eine unbeschwerte Kindheit. Wie immer Sultanspaläste damals aussehen. Als ihr Vater stirbt, erbt sie viel; unter anderem einige Gewürznelkenplantagen, damit macht man auf Sansibar damals viel Geld. Zu ihrem Halbbruder, dem neuen Sultan, hat sie ein sehr gutes Verhältnis. Über die kleine Palastrevolution, in die sie verstrickt ist, wollen wir jetzt mal nicht reden. Der Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete vertritt (bevor er sich mit Ruete & Co. selbständig macht) die Firma Hansing & Co.. Die sind neben der Firma O'Swald die einzigen Deutschen auf Sansibar. Sie haben eine Faktorei, sind Reeder und betreiben Bankgeschäfte. Die O'Swalds hießen ursprünglich Oswalds, aber das ist dem Begründer der Dynastie nicht englisch genug, er nennt sich statt Wilhelm Oswald William O'Swald. Ich habe einmal vor Jahrzehnten in einem Hamburger Antiquariat ein Buch mit der Signatur eines O'Swald gekauft, weil mir diese Hamburgische Anglomanie so wunderbar bescheuert vorkam. Ein Nachfolger von Ruete im Dienst von Hansing & Co namens Justus Strandes wird zu den Gründern von Deutsch-Ostafrika gehören.

Als Salme 1866 mit Heinrich Ruete flieht, ist Europa vom Orient begeistert. Ein Orientalismus, spätestens seit Napoleons Ägypten Abenteuer und den Bildern von Delacroix und Horace Vernet, macht sich überall breit. Verdi schreibt seine Aida, Flaubert Salambo (ein Lokal auf St. Pauli hieß später auch so). Ingres malt Harems und selbst in Deutschland gibt es Orientmaler wie Gustav Bauernfeind, von Malern wie Makart ganz zu schweigen. Das wäre jetzt die richtige schwül schwülstige Atmosphäre für die geflohene Prinzessin, so einen richtig schönen Kitschroman aus tausendundeiner Nacht zu schreiben. So irgendwas in der Art von Der Tiger von Eschnapur. Der Bestsellerstatus wäre vorprogrammiert. Emily Ruete wird später noch schreiben, aber →Die Memoiren einer arabischen Prinzessin sind nicht das, was man erwarten könnte.

Die eigenwillige Sultanstochter (auf allen Photos eine schöne und elegante Frau), die aus Liebe zu dem jungen Hamburger Kaufmann zum Christentum übertritt, wird sie glücklich werden in dem kalten Hamburg? Es wäre schön, wenn es so wäre. Aber es kommt alles anders. Zuerst überlebt ihr erstes Kind die strapaziöse Reise nicht. Und dann stirbt ihr Mann, dem sie drei Kinder geboren hatte, im Jahre 1870. Er war von einer Pferdebahn in Uhlenhorst abgesprungen, gestolpert und unter die Bahn geraten. Starb eine Woche später, eins der ersten Opfer des öffentlichen Personennahverkehrs in Hamburg. 

Die Ruetes wohnten damals in Uhlenhorst (Schöne Aussicht 29), das ist immer noch eine feine Adresse in Hamburg. Den Emily Ruete Platz in Uhlenhorst hat man inzwischen wieder umbenannt, da die Prinzessin, deren Mutter Jilfidan eine tscherkessische Sklavin war, angeblich für Sklaverei und Prügelstrafe gestanden habe. Wir sind heute ja so moralisch mit dieser political correctness. Kurz nach ihrem Mann stirbt auch ihr Bruder, zu dem sie trotz der Flucht noch die besten Beziehungen hatte. Und da sitzt nun unsere arabische Prinzessin mit drei kleinen Kindern in Hamburg. In dieser Gesellschaft von bornierten Pfeffersäcken, die sie nicht akzeptiert. Vor allem nicht, wenn sie beginnt, geborene Prinzessin von Sansibar und Oman hinter ihren Namen zu setzen. Das mögen die stieseligen Hamburger ja gar nicht. Wenn man die Jugenderinnerungen von Ascan Klée Gobert (der Vater des Schauspielers Boy Gobert) liest, kann man einen schönen Eindruck von dieser Gesellschaft bekommen. Emily hat auch Verständigungsschwierigkeiten, das Hamburgische Missingsch versteht sie nicht, mit ihrem Mann konnte sie sich auf Kisuaheli unterhalten. Sie wird aber die deutsche Sprache eines Tages noch perfekt beherrschen.

Eigentlich möchte sie zurück nach Sansibar. Sie schreibt Briefe über Briefe (die eines Tages als Briefe nach der Heimat erscheinen werden) an die Verwandten, legt auch Photos der Kinder bei. Sie möchte auch an ihr Erbe kommen, das sie nach islamischem Recht eigentlich mit dem Übertritt zum Christentum verloren hat. Aber aus Verpflichtung zu ihrem Mann möchte sie auch, dass ihre Kinder eine gute deutsche Erziehung bekommen. Sie wird Hamburg 1872 verlassen, nach Dresden gehen. Dann nach Rudolstadt, Berlin, Köln und wieder Berlin. Der deutsche Adel füttert die arabische Prinzessin durch. 1875 beginnt sie zu schreiben, 1886 erscheinen Die Memoiren einer arabischen Prinzessin, die ein beachtlicher Publikumserfolg werden. Vier Auflagen in selben Jahr. Da erfahren ihre Kinder auch zum ersten Mal, dass ihre Mutter eine Prinzessin ist.

Zu dem Zeitpunkt ist sie schon eine Schachfigur in Bismarcks Afrikapolitik geworden. Als Bismarck den Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (Bild) zum Generalkonsul von Sansibar ernennt (nachdem er zuvor mit ihm in Friedrichsruh Heringshäppchen gegessen hat), schlägt er ihm vor, dass er Frau Ruete auf einem deutschen Kriegsschiff nach Sansibar mitnimmt. Damit sie ihre Ansprüche in Sansibar geltend macht. Doch so wenig Fertigkeiten Rohlfs in der Kunst der Diplomatie hat, das scheint ihm doch ein wenig zuviel des Guten. Er wird Frau Ruete nicht auf dem Kriegsschiff mitnehmen und wird selbst einen großen Teil der Reise auf einem englischen Postdampfer machen (auf Madeira hatte er den deutschen Kreuzer verlassen).

Dadurch brüskiert er natürlich Berlin und die kaiserliche Marine. Er nimmt sich der Sache von Emily Ruete an, tritt dabei aber in alle Fettnäpfchen, die so herumstehen. Den deutschen Kreuzer Gneisenau vor der Küste Sansibars Artillerieübungen veranstalten zu lassen, ist vielleicht nicht der richtige Weg für diplomatische Verhandlungen. Obgleich das eigentlich im Sinne Bismarcks sein müsste, der in einer Notiz geschrieben hatte: Frau Ruete ist für uns lediglich ein Anlaß zu Forderungen dem Sultan gegenüber. Für ihr Schicksal und ihre beaux yeux können wir die Reichsinteressen nicht einsetzen. Nötigt uns der Sultan durch sein sonstiges Verhalten zu militärischer Gewalt, so ist die deutsche Bürgerin Ruete mit ihren Rechten ein nützliches Argument, um Gewalt zu rechtfertigen. In Berlin bereitet man schon eine militärische Invasion Sansibars vor und schickt den Admiral von Knorr mit Kriegsschiffen vorbei. Als die deutsche Bürgerin Ruete mit einem Lloyd Dampfer in Sansibar ankommt, liegen da schon Ihrer Majestät Schiffe Stosch (Bild), GneisenauElisabeth und Prinz Adalbert im Hafen.

Ich lasse jetzt mal alle diplomatischen Winkelzüge beiseite, letztlich wird aus dem Sansibarabenteuer nichts. Bismarck kneift vor den Engländern. Emily Ruetes Sansibarbesuch verläuft ergebnislos, ihr Bruder weigert sich, sie zu empfangen. Und Gerhard Rohlfs ist schon nach einem halben Jahr abberufen worden, da ist er ganz froh drüber, das ist nicht seine Welt. Die deutschen Faktoreien wie Hansing hatten sich beklagt, dass er ihre kolonialistischen Interessen nicht genügend vertrat. Stattdessen wollte der Idealist Rohlfs dem Sultan den Sklavenhandel verbieten. Da wird er sofort von Bismarck abgewatscht, Philantropismus liege außerhalb Ihrer Aufgaben und desgleichen die Beteiligung an der Anti-Sklaverei Politik der Engländer. Gerhard Rohlfs geht auch nicht auf die nötige feindliche Distanz zu dem englischen Generalkonsul, da er Sir John Kirk (der einst Livingstone begleitet hatte) von früher kennt und als Forscherkollegen schätzt. Überall auf der Welt stehen sich Deutsche und Engländer feindlich gegenüber, hier in Sansibar dinieren der deutsche und englische Generalkonsul wie Freunde miteinander.

Genau wie Kirk (hier im Bild) steht Rohlfs den Plänen von Dr Carl Peters (der den Beinamen Hänge-Peters bekommen wird) in Ostafrika negativ entgegen. Und ist auch naiv genug, das nach Berlin zu schreiben. So kann er sich nicht wundern, wenn er von seinen Berliner Feinden im schönsten Amtsdeutsch beschrieben wird als: Nicht von Haus aus Beamter und von daher mit jenem allen amtlichen Organisationsstrukturen gemäßen Schematismus nicht vertraut, der auch seiner Aufgabe zugrunde lag, nicht dazu zu bewegen, sich den Gepflogenheiten seines Amtes - und ebenso des Auswärtigen-Amtes - anzupassen, etwa die regelmäßige Berichterstattung strikt einzuhalten, kein geschulter Diplomat und damit innerhalb des exklusiven Diplomatischen Dienstes ein Fremdkörper. Klingt irgendwie sehr deutsch, dieses Todesurteil für idealistische Quereinsteiger, den Text könnte man bestimmt heute noch verwenden. Auch den Mediziner und weltberühmten Botaniker Sir John Kirk werden die Engländer im gleichen Jahr abberufen. Die Berliner Kongokonferenz hatte den Wettlauf um Afrika nur beschleunigt, jetzt werden in der Politik andere  Menschen als Botaniker oder Afrikaforscher gesucht. Zwar steht das Verbot des Sklavenhandels in dem schönen Papier, auf das man sich einigt, aber niemand wird sich dafür interessieren, was König Leopold im Kongo macht. Außer Mark Twain, der King Leopold's Soliloquy: A Defense of His Congo Rule schreibt.

Und obgleich sich Frau Ruete auch über ihn beklagt hat (sie beherrscht für die Durchsetzung ihrer Interessen ja alle Formen der Intrige, die Rohlfs fremd sind), wird Gerhard Rohlfs sich weiter für die Familie Ruete einsetzen. Besonders für ihren Sohn Rudolph (der noch ein deutscher Diplomat in Beirut wird), der für ihn eine Art Ersatzsohn ist. Er wird 1890, als Caprivis Sansibar Vertrag zwischen England und Deutschland perfekt ist, in der Kölnischen Zeitung einen langen Artikel schreiben, in dem er für ihre Ansprüche wirbt. Man sollte es kaum für möglich halten, daß einer deutschen Frau ein solches Unrecht geschehen konnte, schreibt er.

Und endet seinen Artikel mit den Worten: Aber noch ist es nicht zu spät, Deutschland hat die Verpflichtung, bei der Regelung der sansibarischen Geschäfte für die deutsche Frau Ruete einzutreten. Aus der Liebesgeschichte zweier junger Leute (Salme war zweiundzwanzig, Johann Heinrich Ruete siebenundzwanzig Jahre alt, als sie sich treffen) ist Weltpolitik geworden. Oh, East is East, and West is West, and never the twain shall meet, Till Earth and Sky stand presently at God's great Judgment Seat, hatte Kipling gedichtet. Emily Ruete, die 1924 in Jena starb, liegt heute neben ihrem Mann auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg begraben.

Emily Ruetes Autobiographie ist vor Jahren von der deutschen Ethnologieprofessorin Annegret Nippa unter dem Titel Leben im Sultanspalast: Emily Ruete geb. Prinzesssin Salme von Oman und Sansibar: Memoiren aus dem 19. Jahrhundert herausgegeben worden, sie war vom Markt verschwunden, ist aber wieder erhältlich. Die englische Ausgabe Memoirs of an Arabian Princess from Zanzibar ist dagegen leicht erhältlich (eine Ausgabe von 1907 kann man hier lesen). Die ultimative, kommentierte Ausgabe ihrer Schriften (in englischer Sprache) ist An Arabian Princess Between Two Worlds: Memoirs, Letters Home, Sequels to the Memoirs, Syrian Customs and Usages  herausgegeben von dem holländischen Orientalisten Emeri Johannes van Donzel. Ist allerdings mit 390 € etwas teuer. Man kann jedoch den größten Teil der hervorragenden Einleitung (die auch die beste Skizze ihres Lebens enthält) bei Google Books lesen.

Die Briefe von Gerhard Rohlfs an die Familie Ruete liegen im Gerhard Rohlfs Archiv des Vegesacker Heimatmuseums im Schönebecker Schloss. Allerdings hat sich da seit den Tagen, da der Studienrat Dr Alwin Belger in den 1930er Jahren begonnen hatte, den gesamten Rohlfs Nachlass zu katalogisieren, editionsmäßig nicht so viel getan. Alwin Belger war der Lieblingslehrer meiner Mutter am Lyceum gewesen. Er hatte im Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger ein Bein verloren, und er ist in den letzten Kriegstagen 1945 zufällig durch eine englische Granate neben dem Hotel Bellevue getötet worden. Nur wenige Meter entfernt von unserem Heimatmuseum in der Weserstraße, in dem er die letzten Jahrzehnte mit der Aufarbeitung des Gerhard Rohlfs Nachlasses verbracht hatte. Da hat Dr Belger gearbeitet, pflegte mein Opa zu sagen, wenn wir sonntags das Heimatmuseum betraten. Und dieser kleine Raum, vollgestopft mit all den Gerhard Rohlfs Reliquien, ist in meiner Erinnerung immer mit Dr Belger verbunden gewesen, dessen Arbeiten über den berühmten Sohn unserer Stadt nie zu einem Abschluss gekommen sind. Ich finde es schön, dass die Erinnerung an Emily Ruete durch einen Gelehrten wie Emeri Johannes van Donzel wachgehalten wird. Warum schreibt nicht endlich einmal jemand ein wirklich gutes Buch über Gerhard Rohlfs? Seit ich an einer Schule, die seinen Namen trägt (und die Wikipädie mich unter bekannte Schüler dieser Lehranstalt auflistet), Abitur gemacht habe, verfolgt mich der Mann. Ich habe alles gelesen, was über ihn erschienen ist, aber bis auf einen schmalen, sehr guten Band eines DDR Autors namens Wolfgang Genschorek aus dem Jahre 1982 kann man das alles vergessen.

 

Montag, 26. August 2024

Menschenrechte

Heute vor 235 Jahren verabschiedete die französische Nationalversammlung die Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen. Wenige Monate zuvor hatte der Marquis de Lafayette, der Held des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs, in der Nationalversammlung schon den Entwurf einer Erklärung der Menschenrechte eingebracht. Bei der Formulierung hatte ihm Thomas Jefferson geholfen, der damals Amerikas Botschafter in Paris war. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurde im Jahr 2003 zum Weltdokumentenerbe erklärt. 

Das alles wäre ein Grund zum Feiern, wenn man sich nicht fragen müsste, wo in der Welt heute diese Menschenrechte überhaupt gelten. Im Land des lupenreinen Demokraten bestimmt nicht. Da, wo es auf dieser Karte grün ist, da gelten sie schon. Aber das ist nicht einmal die Hälfte der Welt. Und auch in vielen Ländern, die hier grün sind, wird an den Rechten geknabbert. Die Menschenrechte sind für viele nur ein schöner Traum. Der Satz von Rousseau, Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten, gilt noch für einen großen Teil der Welt.

Die schönen Deklarationen der Freiheit des Menschen haben häufig elementare Mängel. Die amerikanische Declaration of Independence mit ihrem all men are created equal, die Jefferson auf der Basis der Gedanken von John Locke schrieb, galt offenbar nicht für Farbige. Die französische Déclaration vom 26. August 1789 galt nicht für Frauen. Zwei Jahre später wird →Olympe de Gouges eine Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin vorlegen. Sie hat auch, neben vielen anderen Publikationen, den Briefroman Denkschrift der Mme de Valmont geschrieben, den es jetzt in einer zweisprachigen Ausgabe gibt. Die Herausgeberin Gisela Thiele-Knobloch, eine Professorin für Romanistik, hat dazu gesagt: Historiker interessieren sich offenbar auch heute noch mehr für Anzahl und Eigenschaften der Liebhaber von de Gouges als für ihr umfangreiches Werk und ihre politische Leistung. Immer noch möchte man Olympe de Gouges in den althergebrachten Klischees lieber als 'Courtisane' und/oder als 'Militante' sehen, als sich ernsthaft mit ihren Schriften zu befassen. 

Man hatte Olympe de Gouge vergessen, aber in den letzten vierzig Jahren hat man das wiedergutgemacht, ihre →Schriften sind wieder aufgelegt worden, und es ist viel über sie geschrieben worden. La Femme a le droit de monter sur l’échafaud ; elle doit avoir également celui de monter à la Tribune, hatte sie in ihrer Déclaration geschrieben. Die Schreckensherrschaft wird dafür sorgen, dass dieser Satz wahr wird. Sie wird am 3. November 1793 auf der Place de la Concorde durch die Guillotine hingerichtet. So könnte es gewesen sein, aber das Bild ist nicht echt. Es ist eine Photomontage der Künstlerin →Holly Marie Armishaw.

Der Marquis de Lafayette, der die Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen eingebracht hatte, schwört auf diesem Bild bei der Fête de la Fédération am 14. Juli 1790 seinen Eid auf das neue Frankreich. Aber den Eid wird er brechen, die Flucht ist ihm lieber als die Guillotine. Hier in Schleswig-Holstein ist er mit seinem Sohn George Washington (das ist der Junge mit der blauen Jacke auf dem Bild) auch einmal gewesen. Da hatte er mit dem Geld des Hamburger Kaufmanns John Parish das Gut Lehmkuhlen gemietet. Damals war auch der spätere Bürgerkönig Louis Philippe hier. Lebte unter dem Namen Ludwig Philippe de Vries in Friedrichstadt und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Tanzlehrer. 1790 war er ein begeisterter Anhänger der Revolution und Mitglied des Jakobinerklubs gewesen, jetzt ist er Tanzlehrer. Der General Charles-François Dumouriez, den er gut kannte, ist auch in Schleswig-Holstein. Der vermochte dem Exil etwas Positives abzugewinnen:

Das Exil hat, wie alle anderen Positionen im menschlichen Leben, seine Vorteile: Es präsentiert uns Vergleichsobjekte, von denen wir nie eine Ahnung hatten; er gibt uns Lichter; es entwickelt unsere Energie durch Entbehrung; es macht uns nachsichtig und gesellig; es schafft zwischen uns und unseren Gästen eine Erweiterung der Sensibilität und Wohltätigkeit. Der aufrichtige, weise und nachdenkliche Mann bringt von dieser erzwungenen Pilgerfahrt eine Reihe männlicher und sanfter Tugenden mit, die ihn tauglicher machen, seinem Heimatland zu dienen, und ihn zu einer universellen Philanthropie führen, die die schrecklichen Auswirkungen des nationalen Egoismus mildert.