Der Maler Edgar Degas wurde heute vor hundertneunzig Jahren geboren, das wäre ein Grund, über ihn zu schreiben. Was ich aber nicht tun werde, weil ich ihn nicht mag. Weshalb ich ihn nicht mag, das steht in dem Post Edgar Degas. Und auch in dem Post Ratten sage ich nichts Nettes über ihn. Dieses Bild wird immer mit dem Titel L'Absinthe zitiert, original hieß es Dans un Café. Das grünliche Zeug, das die Dame vor sich hat, ist Absinth, ein Getränk, das Baudelaire in seinem Gedicht →Le vin des chiffonniers den Wein der Bettler, genannt hat. Die Dame trinkt in Wirklichkeit keinen Absinth, der Herr neben ihr wohl schon. Es ist der Maler Marcellin Gilbert Desboutin, der neben der Schauspielerin Hélène (oder mit ihrem Künstlernamen Ellen) Andrée sitzt. Die war über das Bild überhaupt nicht glücklich, fünfzig Jahre später hat sie gesagt: Je suis devant une absinthe. Desboutin devant un breuvage innocent, le monde renversé, quoi ! Et nous avons l’air de deux andouilles. Das ist es, die beiden sehen aus wie Idioten, eine Nutte und ein Penner. Soll das die Bohème sein oder nur die Demimonde?
Als Degas das Bild malte, war Ellen Andrée zwanzig Jahre alt. Sie war Schauspielerin, war aber auch das Modell für viele Maler. Sie hat für Degas, Manet und Renoir (und andere) Modell gesessen. Die Maler liebten sie, nicht weil sie besonders schön war, sondern weil sie lange in der Position sitzen oder stehen lonnte, die der Maler gerne haben wollte. Die →Wikipedia hat eine schöne Seite für die Schauspielerin, mit vielen Bildern. Hier ist sie das Modell für Édouard Joseph Dantans Bild Un Moulage sur Nature. Das ist eins der wenigen Male, wo sie nackt posiert. Das zweite Bild mit der nackten Ellen habe ich natürlich auch, es war ein Bild, dass 1878 ein Pariser Skandal war.Weißt du denn nicht, daß ich seit heute Nacht ruiniert?
Das weiß ja alle Welt! – Drum muß ich sterben gehen,
Und kam die Nacht hierher, noch einmal dich zu sehen.«
»Ja hast du denn gespielt?« – »O nein, ich bin ruinirt!«
»Ruiniert?« frug sie; und wie zur Statue gerührt,
Ließ sie den vollen Blick starr auf der Decke ruhn –
»Ruiniert? Ruiniert? Hast du denn keine Mutter? Hör!
Verwandte? Keinen Freund? Auf Erden niemand mehr?
Und tödten willst du dich? Weshalb willst du es thun?«
Vom weichen Kissen hob plötzlich das Haupt Marie,
Und süßer glomm ihr Blick als wie in allen Tagen.
Es bebte ihr der Mund im Drang von tausend Fragen,
Doch keine wurde laut – nur schluchzend neigte sie
Ihr Angesicht auf seins zu einem langen Kuß. –
»Jakob – zürnst du, wenn ich um etwas bitten muß?«
So schluchzte sie – »du weißt, Jakob – Geld hab ich nie –
Denn was du mir auch gabst, nahm mir die Mutter ab –
Jedoch – dies Halsband hier – 's ist Gold – soll ich's verkaufen?
Du nimmst das Geld und spielst – laß, Jakob – ich will laufen ....«
Ein mattes Lächeln war die Antwort, die er gab;
Drauf zog ein Fläschchen er hervor, trank's langsam leer,
Neigte sich über sie und küßte ihren Schmuck.
Dann sank auf ihre Brust sein Haupt mit leisem Druck –
Und als Marie es hob, da war es kalt und schwer.
Durch diesen keuschen Kuß ließ er die Seele scheiden,
Und, einen Augenblick, hatten geliebt die Beiden.
Wir wachten auf. Die Sonne schien nur spärlich
Durch schmale Ritzen grauer Jalousien.
Du gähntest tief. Und ich gestehe ehrlich:
Es klang nicht schön. Mir schien es jetzt erklärlich,
Dass Eheleute nicht in Liebe glühn.
Ich lag im Bett. Du blicktest in den Spiegel,
Vertieftest ins Rasieren dich diskret.
Du griffst nach Bürste und Pomadentiegel.
Ich sah dich schweigend an. Du trugst das Siegel
Des Ehemanns, wie er im Buche steht.
Wie plötzlich mich so viele Dinge störten!
Das Zimmer, du, der halbverwelkte Strauss,
Die Gläser, die wir gestern abend leerten,
Die Reste des Kompotts, das wir verzehrten.
... Das alles sieht am Morgen anders aus.
Beim Frühstück schwiegst du.
Das ist hygienisch, aber nicht sehr schön.
Ich sah das Fruchtgelée auf deinen Lippen
Und sah dich Butterbrot in Kaffee stippen –
Und sowas kann ich auf den Tod nicht sehn!
Ich zog mich an. Du prüftest meine Beine.
Es roch nach längst getrunkenem Kaffee.
Ich ging zur Tür. Mein Dienst begann um neune.
Mir ahnte viel –. Doch sagt ich nur das Eine:
"Nun ist es aber höchste Zeit! Ich geh..."