England hat einen neuen König, die Zeit der freudlosen Puritaner, die als erstes die Theater geschlossen hatten, ist vorbei. Unter dem Merrie Monarch ist Sinnenfreude angesagt, was zuerst einmal eine ✺Maitressenwirtschaft am Hof bedeutet. Schon die Zeitgenossen sprechen unverhohlen von einer Herrschaft der Unterröcke. Die Bordelle, die während der Zeit der Puritaner in den Untergrund verschwunden waren, sind wieder da. Covent Garden, wo auch Emma Hamilton ihre Karriere beginnen wird, blüht auf.
Was die Maitressen betrifft, so macht Charles da weiter, wo er vor zehn Jahren mit Lucy Walters in Den Haag aufgehört hat. John Evelyn, Tagebuchautor wie der berühmte Samuel Pepys, wird sie a beautifull strumpet nennen, Pepys bezeichnet sie als common whore. Sie hat einen Sohn von Charles, den er anerkennt und zum Herzog von Monmouth macht. Wenn die beiden heimlich geheiratet hätten (was Charles bis zu seinem Tod bestreiten wird), wäre James Scott der nächste auf dem englischen Thron. Fontane hat ein Gedicht über ihn geschrieben, das und einiges mehr können Sie in dem Post Stuarts lesen. In seinem europäischen Exil kann Charles die Finger nicht von den Frauen lassen, wir sollten neben der schönen Lucy Walters noch Elizabeth Killigrew und Catherine Pegge erwähnen, die ihm Kinder schenken.
Wenn Charles gekrönt wird, hat er noch keine Gemahlin, es laufen Verhandlungen mit dem König von Portugal. Charles möchte die Infantin heiraten, obgleich er die potthässlich findet. My god, they've brought me a bat to marry, soll er gesagt haben. Eine Frau hat Charles aber schon an seiner Seite, dazu kommen wir gleich. Die Regierungszeit von Charles beginnt nicht glücklich. Erst kommt die Pest (worüber Daniel Defoe: A journal of the plague year schreiben wird), dann brennt die halbe Stadt ab. Während der Pest ist Charles mit seinem Hofstaat in Oxford, während des Brandes versucht er zu helfen. Er ist sogar ein kleiner Held in der Katastrophe. John Evelyn wird schreiben: It is not indeed imaginable how extraordinary the vigilance and the activity of the King and Duke was, even labouring in person, and being present, to command, order, and reward, and encourage workmen; by which he showed his affection, to his people, and gained theirs. London wird ihm das nicht vergessen, 1674 wird die Stadt dem König die Freedom of the City of London verleihen. Er ist der einzige Monarch, der so geehrt wird.
Wenn Charles 1660 in den Palast von Whitehall einzieht, zieht seine Geliebte, die aus einer alten Adelsfamilie kommt, mit ihm dort ein. In der Nacht seiner Krönung soll er die Zwanzigjährige zum erstenmal im Bett gehabt haben. Die maîtresse-en-titre wird ihm in den nächsten zehn Jahren fünf Kinder schenken, die er alle anerkennen wird. Sie bekommen den Namen FitzRoy (Sohn des Königs) und werden Herzöge und Gräfinnen werden. Die Geliebte des Königs heißt Barbara Villiers, wir kennen sie auch unter den Namen Barbara Palmer, Lady Castlemaine und Duchess of Cleveland. Sie sei eine viel schönere Frau als die zuküftige Königin, versichert uns Sir John Reresby: Now it was that the King went to re|ceive the Infante of Portugalat Portsmouth, attended by the greatest Court I ever saw in any Progress. But though, upon this Occaision, every thing was gay and splendid, and profusely joyful, it was easy to discern that the King was not excessively charmed with his new Bride, who was a very little Woman with a pretty tolerable Face; she, neither in Person nor Manners, had any one Article to stand in Competition with the Charms of the Countess of Castlemain the finest Woman of her Age.
Samuel Pepys ist begeistert von ihrer Schönheit: saw the finest smocks and linnen petticoats of my Lady Castlemaine’s, laced with rich lace at the bottom, that ever I saw; and did me good to look upon them. Aber er notiert auch ganz trocken: I know well enough she is a whore. Das ist das Wunderbare an Pepys' Tagebüchern, diese platte Ehrlichkeit. Leider gibt Pepys seine Tagebücher auf, wenn seine Frau ihn in flagranti mit dem Dienstmädchen Deborah Willet erwischt: coming up suddenly, did find me imbracing the girl con [with] my hand sub [under] su [her] coats; and endeed I was with my main [hand] in her cunny. I was at a wonderful loss upon it and the girl also... Pepys schwört Besserung, my amours to Deb are past ist einer der letzten Sätze seines Tagebuchs.
Barbara Villiers (hier von Sir Peter Lely als Heilige Catherina von Alexandria gemalt), ist eine mächtige Frau, sie hat den König völlig unter Kontrolle. Das gefällt Samuel Pepys nun gar nicht. Am 15. Mai 1663 schreibt er: the King do mind nothing but pleasures, and hates the very sight or thoughts of business; that my Lady Castlemaine rules him, who, he says, hath all the tricks of Aretin that are to be practised to give pleasure. In which he is too able … , but what is the unhappiness in that, as the Italian proverb says, 'lazzo dritto non vuolt consiglio.' If any of the sober counsellors give him good advice, and move him in anything that is to his good and honour, the other part, which are his counsellers of pleasure, take him when he is with my Lady Castlemaine, and in a humour of delight, and then persuade him that he ought not to hear nor listen to the advice of those old dotards or counsellors that were heretofore his enemies: when, God knows! it is they that now-a-days do most study his honour.
Der König kauft ihr Juwelen (ihre Ohrringe werden ihn zehntausend Pfund kosten), teure Kleider, zahlt ihre Spielschulden und schenkt ihr den Nonsuch Palace. Sie ist die heimliche Königin Englands. Sie hat mehr Macht und mehr Geld als all die Damen, die wir in den Posts Demimonde und les grandes horizontales finden. Der Bischof Gilbert Burnet hält sie für A woman of great beauty, but more enormously vicious and ravenous, foolish but imperious, und John Evelyn nennt sie a vulgar mannered, arrogant slut. Und noch schlimmer: the curse of our nation. Dass sie das Objekt einer Satire wird, der Poor-Whores Petition, gefällt ihr ganz und gar nicht. Außer Samuel Pepys und dem König sagt eigentlich niemand etwas Nettes über diese Frau.
Charles liegt viermal die Woche in ihrem Bett und sagt über seine Geliebte: she hath all the tricks of Ariten that are to be practised to give pleasure. Das hier erwähnte Ariten ist ein Sexhandbuch, das angeblich von Aristoteles stammt. Wenn die junge Frances Stuart an den Hof kommt, in die sich der König sofort verknallt, inszeniert Barbara für ihn einen flotten Dreier, eine lesbische Hochzeitszeremonie. Das ist natürlich Samuel Pepys nicht verborgen geblieben: Another story was how my Lady Castlemaine, a few days since, had Mrs. Stuart to an entertainment, and at night began a frolique that they two must be married, and married they were, with ring and all other ceremonies of church service, and ribbands and a sack posset in bed [. . .] But in the close, it is said that my Lady Castlemaine, who was the bridegroom, rose, and the King came and took her place with pretty Mrs. Stuart. This is said to be very true.
Frances Stuart sieht auf diesem Bild von Peter Lely wie eine geklonte Barbara Villiers aus. Für Samuel Pepys war Frances the prettiest girl in all the world. Sie war wohl nicht sehr helle, da sind sich die Zeitgenossen einig. Der Graf Philibert de Gramont sagte über sie: it would be difficult to imagine less brain combined with more beauty. Sie ist aber intelligent genug einzusehen, dass sie keine Zukunft in dem Nuttenzoo des Königs hat. Sie brennt mit einem jungen Herzog durch, der sie auch heiratet. Ihr Bild wandert 1670 für die nächsten dreihundert Jahre auf Münzen und Medaillen, da ist sie die Britannia. Da kann sie der König in der Hand halten und befummeln.
Kaum eine Frau des 17. Jahrhunderts ist so häufig gemalt worden wie Barbara Villiers. Ich habe hier 19 Portraits und hier eine schöne Seite mit ebenso viel Abbildungen. Wir sehen sie als Heilige Catherina (was wahrscheinlich eine Attacke auf Charles Ehefrau Catherine of Braganza war), sie ist Diana, Minerva, eine Schäferin und Maria mit dem Kind. Hier auf dem Bild von John Michael Wright ist sie eine Schäferin. Nicht draußen bei den Schafen, sondern eine Schäferin in einer masque, die bei Hof aufgeführt wird. Samuel Pepys mochte das Bild nicht, für ihn kam als Maler dieser Frau nur Sir Peter Lely in Frage: Thence to Mr. Wright's, the painter; but Lord! the difference that is between their two works!’ Wenn wir den Worten von Pepys trauen können, dann war Lely so hingerissen von der Maitresse des Königs, dass er sich kaum instande sah, ihre Schönheit in Bildern festzuhalten: it was beyond the compass of art to give this lady her due, as to her sweetness and exquisite beauty. Wright hat über seine Bilder gesagt: I have begun diverse ladyes who are all sufficiently satisfied and judge me moderate comparatively to Mr. Lilly. Moderat? Wie sie hier hingebettet ist? Das ist doch beinahe schon Pornographie.
Hier ist sie von John Greenhill gemalt. Achten wir einmal auf ihre Augen, die die Zeitgenossen als violett beschreiben. Da fällt uns doch nur das Wort Schlafzimmeraugen ein. Diese Augen hat Peter Lely erfunden, er malt dann alle Frauen der High Society so: Sir Peter Lely when he had painted the Duchess of Cleveland's picture, he put something of Cleveland's face her Languishing Eyes into every one Picture, so that all his pictures had an air one of another, all the Eyes were Sleepy alike. So that Mr. Walker ye Painter swore Lilly's Pictures was all Brothers & Sisters. Und seine Kollegen machen ihm das nach. Ob das John Michael Wright oder John Greenhill ist, immer bekommt unsere Barbara diese sleepy eyes.
1673 geht die Liebesgeschichte von Barbara Villiers und dem König zuende. Er wird neue Maitressen haben: Restless he rolls about from whore to whore, a Merrie Monarch, scandalous and poor, schreibt sein Saufkumpan der Earl of Rochester. Der ihm auch einen vierzeiligen Nachruf schreibt: Here lies our Sovereign Lord the King whose word no one relies on, who never said a foolish thing nor ever did a wise one.
Dies ist das letzte Bild, das wir von ihr haben, gemalt von Gottfried Kniller aus Lübeck, der jetzt in England Sir Godfrey Kneller heißt und Hofmaler ist, aber er ist kein guter Maler. Kein Peter Lely. Der König schreibt ihr zum Abschied: Madam, all that I ask of you … is live so for the future as to make the least noise you can, and I care not who you love. Kurz vor seinem Tod versöhnen sich Charles und Barbara wieder. Dass sie an seinem Totenbett seine Hand gehalten hätte, ist eine Erfindung der Schriftsteller. Barbara wird den Nonsuch Palace abreissen lassen und das Inventar und die Einzelteile verkaufen, sie hat hohe Spielschulden. Den Titel einer Baroness Nonsuch wird sie aber behalten, auch wenn sie den Palast nicht mehr besitzt.
Wenn ihre Kinder heiraten, wird der König die Hochzeiten bezahlen. Sie hat jetzt viele neue Liebhaber, der berühmteste heißt John Churchill, den wir auch als Herzog von Marlborough kennen. Churchill, ihr zehn Jahre jüngerer Cousin, bekommt Geld von ihr, das er gut anlegt, es ist der Grundstock seines Vermögens. Charles Sackville, einer der Wüstlinge aus der Rochester Clique (der schon vor dem König Nelly Gwynn als Maitresse hatte), schreibt sie in sein schmutziges Gedicht A Faithful Catalogue of our most Eminent Ninnies, aus dem ich mal eben zitiere:
Oh Barbara! thy execrable name
Is sure embalm'd with everlasting shame.
Could not that num'rous host thy lust suffice,
Which in lascivious shoals ador'd thy eyes;
When their bright beams were through our orb display'd,
And kings each morn their Persian homage paid?
Now Churchill! Dover! see how they are sunk
Into her loathsome, sapless, aged trunk.
And yet remains her cunt's insatiate itch,
And there's a devil yet can hug the witch.
Pardon me, Bab, if I mistake his race,
Which is infernal sure, for tho' he has
No cloven foot, he has a cloven face.
Is sure embalm'd with everlasting shame.
Could not that num'rous host thy lust suffice,
Which in lascivious shoals ador'd thy eyes;
When their bright beams were through our orb display'd,
And kings each morn their Persian homage paid?
Now Churchill! Dover! see how they are sunk
Into her loathsome, sapless, aged trunk.
And yet remains her cunt's insatiate itch,
And there's a devil yet can hug the witch.
Pardon me, Bab, if I mistake his race,
Which is infernal sure, for tho' he has
No cloven foot, he has a cloven face.
Ich habe zum Schluss noch ein kleines Gedicht von Patrick Davidson Roberts aus dem Jahr 2018, das Barbara Villiers heißt. Es ist netter als das Gedicht von Sackville:
Worked on by the Portuguese Bat, he has been absent
these rampart weeks. I
know that I am no longer young.
When, instead of the king,
I take this young man to bed, he
approaches my works, frets along my stockade front
and turns on me as linstock the fire breaking
over our heads in far-away Europe. Sometimes
I catch him mouthing the orders to Hold
and to Advance until the enemy is utterly crushed.
Then the bit lip cold of mouth bursting
and shameful retreat broken casement.
Somewhere in this palace, a Catholic plots his own exile.
His brother counts the childless years.
Asleep, beside me, Mr John Churchill marches deep
into the heart of Europe. When I die no one will know
that even at the greatest moment of Blenheim
he will remember my love my coin for his commission
I stroke his childish forehead and do not bear his children.
Die Nachkommen von Barbara und Charles gibt es heute immer noch. Ein Lord Charles FitzRoy hat vor sechs Jahren eine Biographie über Charles II geschrieben: Return of the King: The Restoration of Charles II. Und dann gibt es da noch Henry Oliver Charles FitzRoy, den 12. Duke of Grafton, den seine Freunde vom Red Rooster Festival nur als Harry Grafton kennen. Barbara Villiers wäre stolz auf ihn.